Biologische EVOLUTION
Identische Reduplikation (Vermehrung)
Mehrere Sternen-Generationen hatten die heute bekannten
Elemente hervorgebracht, die sich im Verlauf der chemischen Evolution auf der
Erde zu Makromolekülen zusammenfügten (siehe "Kosmologie").
Diese Makromoleküle schwammen in der "Ursuppe" der
Erd-Atmosphäre, bis vor etwa dreieinhalb Milliarden Jahren zwei Moleküle
zusammenstießen, die sich so gut ergänzten, dass sie den initialen Funken zur
biologischen Evolution zündeten: Nukleinsäure und Protein. Nukleinsäuren sind
Zuckermoleküle, die optimale Speichereigenschaften aufweisen, und Proteine sind
Fette, die sich besonders gut als Bausteine für Organismen eignen.
"Leben ist Information", so formulierte es Manfred
Eigen. Eine chemische Art der Informationsübertragung, bei der die Gene dem
Organismus "mitteilen", welche Moleküle er verwenden muss, um
bestimmte Merkmale hervorzubringen (z.B. blaue Augen, grüne Blätter oder ein
cholerisches Gemüt). Aus informationstheoretischer Sicht bestand der Anfang
alles Lebendigen in einem Regelkreis der Prinzipien Mutation und Selektion. Die
unabhängig voneinander entstandenen Nukleinsäuren und Proteine verursachten bei
ihrem Zusammentreffen Rückkopplungskreisläufe mit wechselseitiger Informationsübertragung.
Durch diese Wechselbeziehungen konnten sie sich selbst reproduzieren, indem sie
erfolgreiche Informationen positiv verstärkten.
Die Nukleinsäure RNA hat die Eigenschaft, ihre Bestandteile
auf bestimmte Aminosäuren zu übertragen. Informationstheoretisch gesehen
übersetzt sie die Information, die in der Reihenfolge ihrer Bestandteile liegt,
in eine analoge Reihe bestimmter Aminosäuren, aus denen Proteine mit
entsprechenden Eigenschaften gebildet werden. Diese Proteine sind wiederum in
der Lage, RNA-Ketten zu synthetisieren, wodurch es zu Wirkungszyklen zwischen
RNA und Proteinen kommt. Das verläuft so, dass z.B. die RNA1 ein Protein1
erzeugt, dieses eine RNA2, welche das Protein2 synthetisiert, wodurch wieder
die RNA3 entsteht usw., bis ein Protein wieder die ursprüngliche RNA1 herstellt.
Damit ist ein funktioneller Regelkreis entstanden, welcher
eine Information, die durch Zufallsmutation in der RNA auftaucht, auf
Proteinstrukturen überträgt, die ihrerseits dann wieder die RNA reproduzieren,
wenn die Proteine in ihrem Milieu bestehen konnten. Auf diese Weise setzen sich
nur jene Kernsäuren durch, deren Proteine alle Bedingungen erfüllen, die sie in
ihrem Milieu überleben lassen. Das bedeutet, dass von Anfang an in der RNA
(später DNA) keine beliebigen Informationen entstanden, sondern exakt jene, die
bestimmte Eigenschaften der Umwelt abbildeten (Kaspar). Beispiel: Die
Fischflosse repräsentiert Strömungseigenschaften des Wassers.
Lebende Moleküle besitzen einen Stoffwechsel, der die
Energie für alle Wachstumsprozesse liefert. Bestimmte Proteine sind in der
Lage, chemische Reaktionen in Gang zu setzen, indem sich ihre Moleküle an ein
Substrat anlagern und dort einen elektronischen Zusammenschluss in den Hüllen
der beteiligten Atome verursachen. Diese Katalysator-Funktion wird in lebenden
Organismen benötigt, um der Reaktionsträgheit chemischer Vorgänge
entgegenzuwirken. Einige chemische Prozesse in lebenden Organismen müssen
nämlich millionenfach schneller ablaufen, als sie das in anorganischem Zustand
tun.
Proteine mit diesen Katalysator-Eigenschaften nennt man
Enzyme. Nach Jahrmillionen der Auslese (Selektion) bewirken sie eine
gleichmäßige Abfolge der chemischen Prozesse in einer bestimmten Reihenfolge.
Sie gewährleisten auch eine vorübergehende Konstanz des Organismus, damit nicht
alle Stoffe ununterbrochen miteinander reagieren und dadurch ein Chaos
verursachen (Ditfurth).
In der Natur werden zwanzig Aminosäuren als Bausteine für
Proteine benutzt, deren Sequenz (Reihenfolge) in einem Protein-Enzym darüber
entscheidet, welche chemische Reaktion es an einem Organismus auslöst. Damit
ist die spezifische Wirkung eines Enzyms in der zufälligen Anordnung seiner Aminosäuren
chiffriert.
Aminosäuren sind Kettenmoleküle. Manchmal sind sie nicht
längs aneinandergereiht, sondern quer aufgefädelt, so dass ihre Enden rundherum
abstehen wie bei einer Flaschenbürste. Auf diese Weise bilden sie eine
Enzymkette, die sich durch die unterschiedlichen Ladungen der Aminosäuren zu
einem Knäuel zusammenringelt. Dabei gelangen bestimmte Aminosäuren aneinander,
die sich sonst nicht berührt hätten. Ihre zufällige Anordnung bestimmt die
besondere Eigenschaft des Enzymmoleküls.
Neben Proteinen wird auch Zucker (RNA) zum Aufbau der
Organismen verwendet, um die Vererbung verschiedener Merkmale zu ermöglichen.
Doch nicht nur in der Natur, auch in experimentellen Laborversuchen entsteht
schon bei milden chemischen Reaktionen stets Ribose, eine Zuckerart, wenn die
Stoffe der "Ursuppe" im Reagenzglas aufeinander treffen. Daneben
bilden sich die Stickstoffbasen Uracil, Cytosin, Guanin und Adenin. Unter
Energiezufuhr verbindet sich der Zucker mit den vier Basen, wobei auch ein
Phosphorsäurerest mit eingebaut wird.
Wenn sich diese Moleküle zu langen Ketten verknüpfen,
entsteht die Doppel-Helix eines Nukleinsäurefadens, der die Codierung aller
Erbeigenschaften sämtlicher Lebewesen erlaubt. Da die Entstehung solcher
komplexen Verbindungen experimentell im Labor simuliert werden kann, ist die
Annahme zulässig, dass es sich unter den Bedingungen der Ur-Erde ebenso abgespielt
hat.
Bedingt durch den Rückkopplungskreislauf der gegenseitigen
Informationsübertragung entspricht jeder Aminosäurensequenz der Enzyme ein
Nukleinsäurefaden mit der gleichen Reihenfolge seiner Basen. Bei der
Proteinsynthese (Körperaufbau des Organismus) durch die Erbinformation der
Nukleinsäuren codieren jeweils drei Basen (ein Triplett) eine der zwanzig
Aminosäuren.
Die Kombination von vier Basen zu Dreier-Sequenzen ergibt 64
Möglichkeiten der Codierung (zum Vergleich: unser Alphabet enthält nur 26
Buchstaben). Davon werden aber nur zwanzig für die Aminosäuren benötigt; die
übrigen 44 dienen dazu, bestimmte Aminosäuren doppelt oder dreifach zu codieren
bzw. den Anfang und das Ende einer Produktionsanweisung anzuzeigen (Ditfurth
nennt das Interpunktion).
Bei der identischen Reduplikation der Nukleinsäuren
(Vermehrung) wird jeweils ein Abdruck von der DNA genommen, nachdem die
schwachen Wasserstoffbrücken-Bindungen zwischen den beiden Strängen der
Doppel-Helix aufgelöst wurden. Nach der Teilung lagern sich sofort neue
Nukleotide an die Basen der nun entstandenen Einzelketten an, die wieder durch
Wasserstoffbrücken gebunden werden. Dabei kann an jede Base nur eine
komplementäre Base gebunden werden, so dass ein identischer DNA-Faden entsteht.
Auch die für die Proteinsynthese erforderliche Transkription
(Kopie) erfolgt auf diese Weise, indem sich eine messenger-RNA, die nur aus
einer einfachen Nukleotidkette besteht, an einen Einzelstrang der DNA anlagert,
wobei die Erbinformation auf den RNA-Strang übertragen wird. Allerdings
„kopiert“ eine RNA immer nur bestimmte sinnvolle Abschnitte der DNA, die sie
dann zu den Ribosomen transportiert, wo die Proteinsynthese stattfindet. Eine
transfer-RNA übernimmt inzwischen den Antransport der als Bausteine benötigten
Aminosäuren. Dies geschieht durch die „Passung“ ihres Basen-Tripletts mit der
Sequenz der benötigten Aminosäuren, so dass nur die jeweils „richtige“
Aminosäure angelagert werden kann.
Im Ribosom wird eine Proteinkette aufgebaut, indem jeweils
eine transfer-RNA ihre Aminosäuren an die passende messenger-RNA heftet,
wodurch der Strang sinnvoll verlängert wird. Diese Vorgänge werden so lange
wiederholt, bis das Protein fertiggestellt ist (Botsch). Wenn das aufgebaute
Enzym z.B. hundert Glieder lang ist, ergeben sich vier hoch drei hoch zwanzig
hoch hundert Möglichkeiten, und damit eine astronomisch hohe Variationsbreite
zur Chiffrierung der äußeren Erscheinungen und der inneren Merkmale sämtlicher
Lebensformen und Arten, die es auf der Erde je gab und geben wird (Ditfurth).
Charakteristisch für den Evolutionsprozess ist eine stete
Zunahme von Ordnung. Im Gegensatz zu früheren Vorstellungen der Thermodynamik,
die annahm, dass im Kosmos nur Unordnung entstehen könne (Entropie), ist gerade
die Anagenese (Entstehung von selbst) eine physikalische Notwendigkeit
(Kaspar).
Faktisch sind in einem Milieu von thermodynamischem
Ungleichgewicht auf der Erde spontan geordnete Strukturen entstanden, die mit
Wasserturbulenzen begannen, sich über die anorganische und organische Chemie
fortsetzten und schließlich alle Gebiete natürlicher Systeme (Organismen)
umfassten. Evolution findet in offenen Systemen statt, die sich nicht im
thermodynamischen Gleichgewicht befinden.
Lebende Organismen müssen sich einerseits von der Umwelt
absondern, um ihre funktionelle Ordnung gegenüber dem Chaos zu bewahren. Da sie
aber als offene Systeme in energetischem Austausch mit ihrer Umwelt stehen,
besteht für die Zellen andererseits die Notwendigkeit der Öffnung zur Umwelt,
damit eine gezielte Nahrungsaufnahme ermöglicht wird und der Energieaustausch
nicht chaotisch verläuft, sondern eine zunehmende Ordnung zulässt.
Die Lösung des Problems bestand damals in der Entwicklung
von semipermeablen (halbdurchlässigen) Membranen als selektive Verbindungen zur
Außenwelt. Sie wählten die eintreffenden Moleküle nach ihrer Verwendbarkeit
aus. Experimente zeigen, dass die Entstehung derartiger Membranen unter geeigneten
Bedingungen ganz spontan erfolgt, allein aufgrund bestimmter Eigenschaften der
Materie.
Die Kugel scheint eine ideale natürliche Form zu sein.
Überall, wo sich aus Lösungen bewegliche Substanzen abscheiden, ähneln sie
Kugeln. Irgendwann im Laufe der Jahrmillionen legte sich eine erste Lipid-Membran
wie eine Haut um ein DNA-Protein-Aggregat, wodurch dieses einen
Selektionsvorteil erhielt und zum Ausgangspunkt für die Entstehung aller Zellen
wurde.
In den Ur-Ozeanen lagerten sich durch UV-Einstrahlung
bestimmte Moleküle aneinander, bis sie die Größe winziger Tropfen erreichten.
Diese Molekülschwärme waren in der Lage, organisches Material aus ihrer
Umgebung aufzunehmen und zu verdauen, d.h. die nicht mehr bindungsfähigen
Restmoleküle abzustoßen. Dabei durchdrangen die Nahrungsstoffe ihre Haut und wurden
im Inneren entweder angelagert, dann wuchs das Gebilde, oder sie wurden
chemisch verändert, dann entstand ein Stoffwechsel.
Der Kompromiss, nur ein Minimum an Außenweltfaktoren
zuzulassen, bildete eine durchgehende Maxime für die Evolution, was sich später
bei der Entwicklung von Wahrnehmungsorganen zunächst nachteilig auswirkte. Wir
können ja heute nur ein Minimum an Umwelteigenschaften zu erkennen, z.B. nur
einen Teil des Farbspektrums oder der Schallwellen. Für die Akzeptanz anderer
Wellenbereiche benötigen wir technische Apparate. Wie groß die Welt hinter
unserem Wahrnehmungshorizont wirklich ist, können wir nicht einmal ahnen, da
die Wahrnehmungsorgane ursprünglich nicht zur Erkenntnis, sondern zum Überleben
eingerichtet wurden.
Die ersten lebendigen Zellen entwickelten sich zu
kompliziert zusammengesetzten Organismen mit eigenen Organellen und einem
Zellkern, in dem die Nukleinsäuren zu Genen und diese wieder zu Chromosomen
zusammengebündelt waren. Diese einzelligen Lebewesen besaßen Geißeln, die der
Fortbewegung im Wasser dienten, teilweise auch Chloroplasten, die in der Lage
waren, Energie durch Fotosynthese zu gewinnen.
Ihre Entstehung (Genese) wird folgendermaßen beschrieben:
Die ersten kernlosen Ur-Zellen schwammen mit ihren Flimmerhärchen in den
Ozeanen der jungen Erde und „fraßen“ die ebenfalls dort schwimmenden
organischen Moleküle und Polymere, deren Zahl sich dadurch verringerte. Da die
abiotische Genese dieser Ursuppe jedoch äußerst langwierig war, entstand ein
akuter Nahrungsmangel und bedrohte das gerade entstandene Leben. In dieser
Situation sahen sich die Zellen, die zufällig Porphyrin-Moleküle enthielten,
plötzlich im Vorteil, denn Porphyrin ist in der Lage, Licht im sichtbaren
Spektrum zu absorbieren und seine Energie in sich aufzunehmen.
Durch die neue Technik der Fotosynthese befreiten sich die
porphyrinhaltigen Zellen allmählich von der Ernährung mit organischem Material.
Da sie nun den Erfordernissen der Umwelt besser angepasst waren als ihre
Konkurrenten, vermehrten sie sich überproportional, während die Zahl der
„Molekül-Fresser“ abnahm.
Einige Arten von Fresser-Zellen begannen jetzt aber
ihrerseits, neben Makromolekülen auch Fotosynthese betreibende Bakterien und
Blaualgen zu fressen, um zu überleben. Das heißt, sie nahmen die Beute durch
ihre Membran auf, verstauten sie in ihrem Plasma-Leib und lösten sie dann auf,
um ihre Moleküle für den eigenen Stoffwechsel zu benutzen. Kannibalismus
scheint ein typisches Kennzeichen des Phänomens Leben seit jeher zu sein
(Boschke).
Manchmal wurde die Beute jedoch nicht aufgelöst,
möglicherweise durch den Mangel an einem bestimmten Enzym, und der erbeutete
Organismus blieb am Leben. Er fuhr fort, Sonnenlicht in chemische Energie
umzuwandeln und ernährte dadurch seinen Wirt. Auf diese Weise entstanden die
ersten Pflanzenzellen mit ihren Chloroplasten.
Die räuberischen Zellen, die dazu übergegangen waren,
lebende organische Substanz zu ihrer Nahrung zu machen, wurden die Vorfahren
der Tiere und damit auch unsere Urahnen. Da sich die Nahrung durch
Flimmerhärchen fortbewegte, waren auch sie gezwungen, Fortbewegungsinstrumente
in Form von Geißeln zu entwickeln.
Beim „Kampf ums Dasein“ gerieten die Arten oft untereinander
in Futterkonkurrenz. Sie kompensierten diesen Selektionsdruck u.a. durch
Spezialisierung auf ungenutzte Nahrungsquellen.
Durch das Konkurrenzprinzip können in der Biologie auch
echte Symbiosen entstehen, wie z.B. die Darmflora der Menschen. Sie besteht aus
Bakterien, die das lebenswichtige Vitamin B 12 produzieren, das unser Organismus
nicht selbst synthetisieren kann. Die Bakterien haben die erstaunliche
Fähigkeit entwickelt, die spezielle Gewebeart im Körper zu
"erkennen", die sie als Nahrungsquelle benötigen, um sich dort
anzusiedeln. Dabei handelt es sich um eine chemische Art der Erkenntnis.
In den Ur-Ozeanen überlebten die Nahrungskrise jedenfalls
nur die Fotosynthese betreibenden blau-grünen Algen, ferner jene Zellen, die
sich Algen oder Bakterien als Chloroplasten einverleibt hatten, und schließlich
die porphyrinlosen Zellen, die sich von anderen lebenden Zellen ernährten. Alle
anderen existierenden biologischen Konstruktionen sind nach Meinung der
Evolutionstheoretiker an Nahrungsmangel zugrunde gegangen.
Nach den Gesetzen von Mutation und Selektion überlebten und
vermehrten sich dann jene Zellen bevorzugt, die zufällig am fähigsten waren,
Zucker und Eiweiß zur Aufrechterhaltung ihres Stoffwechsels auf einer
molekularen Ebene zu erkennen.
Die Fähigkeiten zum Erkennen, zur Unterscheidung und zur
kritischen Auswahl sind ursprünglich biologische Funktionen und zu einer Zeit
entstanden, als von einer Psyche noch keine Rede sein konnte. Sie bilden jedoch
die Grundlagen zu unseren entsprechenden Denk-Kategorien. Aus genetischer
Perspektive liegen unsere Erkenntnisformen vor jeder individuellen
Erfahrung schon fest (Kant nennt das "Apriori"), sie sind jedoch ein
Produkt der kollektiven Erfahrung (Lorenz nennt das "Aposteriori").
Die Pflanzenzellen verbrauchten für ihre Fotosynthese
Stickstoff. Als Abfallprodukt erzeugten sie Sauerstoff, so dass sich die
Atmosphäre langsam mit Sauerstoff anreicherte und die übrigen Lebewesen in eine
neue Krise stürzte: Die Oxydationseigenschaft es Sauerstoffs machte ihn zum
giftigen Gas. Nun waren jene Bakterienarten im Vorteil, die zufällig durch
bestimmte Enzyme eine Sauerstoffresistenz entwickelt hatten. Sie überlebten die
Krise, vermehrten sich überproportional und gingen bald dazu über, die hohe
chemische Aktivität des Sauerstoffs für den Energiebedarf des eigenen
Stoffwechsels zu benutzen.
Diese ersten Sauerstoffatmer wurden ebenfalls von den
Molekül-Fressern einverleibt, aber zum Teil nicht verdaut, so dass, ähnlich wie
bei der Genese der Chloroplasten, nun die Mitochondrien als Symbionten
entstanden. Das sind spezialisierte Bakterien, die bis heute als Organellen die
Atmung innerhalb der Zellen besorgen.
Folgende Fragen drängen sich auf: Wie kam es, dass in dem
Moment, in dem Sauerstoffatmung gefordert war, einige Zellen existierten, die
durch ihre Enzymanordnung dazu befähigt waren? Oder warum konnten einige Zellen
plötzlich Fotosynthese betreibende Bakterien fressen, als diese Eigenschaft für
ihr Überleben erforderlich war?
Die Antwort der Evolutionstheoretiker lautet: Durch
Mutationen. Das sind Fehler beim Kopieren der DNA während ihrer identischen
Reduplikation, die durch radioaktive oder kosmische Strahlung verursacht werden
und in kleinen Prozentsätzen auftreten. Sie ändern den Sinn der Botschaft
willkürlich und geringfügig ab.
Bestimmte Eigenschaften ändern sich also manchmal bei der
Vermehrung. Dadurch ist das Leben optimal auf unvorhergesehene
Umweltveränderungen vorbereitet: Sowie eine drastische Änderung der
Umweltbedingungen eintritt, existieren immer schon einige Organismen, die durch
spezielle Merkmale gerade auf diese Konstellation eingestellt sind und deshalb
das Überleben ihrer Art sichern.
Da diese Merkmale jedoch nicht auf die DNA zurück wirken
können, wird der Erfolg zum Lehrmeister des genetischen Systems, wodurch es
zunehmend umfangreichere Informationen über die Eigenschaften der Umwelt
gewinnt.
Ob eine zufällige Mutation für das Überleben vorteilhaft
ist, wird allein durch die Umwelt entschieden, indem sie diese Mutanten
überleben und durch Fortpflanzung das neue Prinzip weitergeben lässt, während
die nicht mehr angepassten Organismen aussterben (Kaspar).
Die Zahl der Mutationen, also der zufälligen Bereitstellung
neuer Eigenschaften, unter denen die „richtige“ durch Selektion an der Umwelt
ausgewählt wurde, muss im Verlauf der Evolution unvorstellbar groß gewesen
sein. Diese Wesen wurden prinzipiell geopfert, um die allgemeine Entwicklung
voranzutreiben. Die Natur hat hier einen Sicherheitsfaktor eingebaut, um
unvorhersehbare Umweltereignisse nicht zur Vernichtung des Lebens führen zu lassen.
Individuen scheinen unbedeutend zu sein.
Diese Weiterentwicklung der Art wird durch Mutation und
Selektion gesichert, indem die Umwelt eine Auswahl unter den angebotenen
mutativen Varianten trifft. Ein solches Verhalten kann als intelligent
bezeichnet werden, als eine Vernunft ohne Gehirn. Intelligenz, Phantasie,
Gedächtnis und Kreativität sind offensichtlich älter als alle Gehirne. In der
Natur wirken kreative Potenzen, die unsere eigenen im höchsten Maß übersteigen.
Die Evolution hat durch dosierten Zufall ein
Anpassungsinstrument hervorgebracht, mit dem sie auf alle Erfordernisse der
Umwelt elastisch reagieren kann. Sie arbeitet gezielt mit dem Fehler als
Überlebensfaktor, der wie alle anderen Prinzipien schon kurz nach dem Urknall
in der Wirkungsweise der Kohlenstoffatome als Möglichkeit angelegt war. Bei der
Betrachtung von großen Mengen verwandelt sich der Zufall stets in statistische
Regelmäßigkeit.
In diesem Zusammenhang erscheint der Zufall plötzlich als
ein methodisches Instrument zur Erzeugung von Ordnung im Chaos. Möglicherweise
ist sogar das Chaos selbst eine Ordnung, die wir nur in ihrer Kompliziertheit
nicht erkennen können, weil unser Gehirn noch nicht strukturiert genug ist.
Doch ist eine Zunahme der Komplexität aus dem Chaos durch ungerichtete
Mutationen möglich und findet immer noch vor unseren Augen statt.
Die Evolution kann daher als teleologisch (zielgerichtet)
angesehen werden. Hinter aller Natürlichkeit der chemischen Abläufe scheint
eine Intelligenz zu wirken, die eine Absicht erkennen lässt. Die Absicht
nämlich, Leben nicht nur hervorzubringen, sondern auch konsequent weiterzuentwickeln.
Das vorläufige Ziel dieser Entwicklung ist, wie wir heute
wissen, ein selbstreflexives, denkendes Bewusstsein. Ein endgültiges Ziel kann
nur im Rahmen einer vernünftigen spekulativen Extrapolation ermittelt werden.
Bei einer weiteren Zunahme der Komplexität müsste irgendwann eine göttliche Vollkommenheit
erreicht werden.
Die Umwelt brachte eine biologische Vielfalt hervor, in der
sie sich selbst widerspiegelt. Sie wurde aber auch zunehmend von diesem Leben
geprägt (siehe Sauerstoffatmosphäre). Es entstand ein wechselseitiger Effekt
der Selbstverstärkung, der zu einer explosionsartigen Ausbreitung des Lebens
auf der Erde führte.
Vor viereinhalb Milliarden Jahren hatte in den Ur-Ozeanen
der Erde die chemische Evolution eingesetzt. Die ersten kernlosen Zellen waren
vor rund dreieinhalb Milliarden Jahren entstanden. Die Evolution höherer,
mehrzelliger Lebewesen (Metazoa) begann aber erst vor sechshundert Millionen
Jahren, also fast drei Milliarden Jahre später. Die Hervorbringung des
einzelligen Lebens dauerte also vier- bis fünfmal so lange wie die Entwicklung
von den ersten Mehrzellern bis zu uns Menschen.
Auch für die Kernteilung und den Übergang von kernlosen zu
kernhaltigen Zellen, für die Entwicklung der Fotosynthese und für die Genese
der Sauerstoffatmung werden jeweils eine Milliarde Jahre veranschlagt. Der
genetische Fortschritt scheint sich zunehmend zu beschleunigen.
Der Zusammenschluss unterschiedlich spezialisierter Urzellen
zeugt von dem durchgängigen Prinzip, dass durch die Fusion einfacherer
Organisationen zu immer höheren Ordnungen jeweils eine Komplexität erreicht
wird, die ein neues Phänomen auf höherer Entwicklungsstufe entstehen lässt.
Schon Aristoteles hatte entdeckt, dass das Ganze stets mehr ist als die Summe
seiner Teile. So strebten auch die kompliziert aufgebauten Einzeller nach
Zusammenschlüssen zu völlig neuartigen mehrzelligen Lebewesen, die eine enorme
Bereicherung an Möglichkeiten für das Leben bedeuteten.
Lorenz nennt das Fulguration. Das sind Sprünge in der
evolutionären Entwicklung, die zu neuen, nie da gewesenen Phänomenen führten.
In diesem Fall trennten sich einige Zellen nach der Teilung nicht vollständig
voneinander, sondern blieben aneinander haften und erlernten die Vorteile der
Arbeitsteilung. Die ersten Zellkolonien konnten sich bereits gemeinsam durch
das Wasser bewegen, ihre komplexeren Nachkommen entwickelten allmählich verschiedene
Arbeitsbereiche als Vorstufen zu den späteren Organen.
Die Arbeitsteilung der Organismen wurde durch eine
Differenzierung der Zellen ermöglicht, die jeweils unterschiedliche Abschnitte
ihres DNA-Fadens "lesen" und für die Proteinsynthese benutzen konnten.
Obwohl auch heute noch in jeder Körperzelle die gesamte genetische Information
enthalten ist, haben sich einzelne Zellen auf die Übernahme bestimmter
Arbeitsanweisungen spezialisiert und bilden somit die Organe.
Durch die Entwicklung zur Mehrzelligkeit wurde ein immer
größerer Anteil von Zellen im Inneren des Organismus von der Außenwelt
abgeschnitten. Das erforderte komplizierte Regelmechanismen zur
Aufrechterhaltung ihrer Funktionen, da nun als Außenwelt für diese Zellen nicht
mehr der unendliche Ozean zur Verfügung stand, sondern nur der schmale Flüssigkeitsspalt,
der sie von den Nachbarzellen trennte.
Die Zusammensetzung dieses Milieus ist jedoch bis heute
konstant geblieben. Die extrazelluläre Flüssigkeit unseres Körpers entspricht
noch immer genau der Zusammensetzung des Meerwassers. Um dieses innere
Gleichgewicht zu erhalten, waren spezialisierte Organe erforderlich, die von
der Evolution unter dem Anpassungsdruck im Laufe von Jahrmillionen
hervorgebracht wurden.
Die Fortbewegung der Metazoen erfolgte durch
Geißelbewegungen stets in einer Körperrichtung, so dass die vorderen Zellen
etwas kleiner gerieten. Dafür waren sie in der Lage, sich zu typischen
Augenflecken zu formieren, deren Lichtempfindlichkeit ausgeprägter war als die
der hinteren Zellen. Das ermöglichte dem Organismus eine positiv phototaktische
Reaktion, d.h. die Tendenz, aus dem Dunklen ins Helle zu schwimmen. Sie
gewährleistete, dass die von der Fotosynthese lebenden Zellen immer dorthin
gelangten, wo das Sonnenlicht am intensivsten war.
Durch eine Einstülpung der Oberfläche entstand in den
Zellkugeln eine Öffnung, der Ur-Mund. Er diente allerdings vorerst auch der
Ausstoßung von abgebauten Resten. Die äußeren Geißeln dienten der Mobilität,
die inneren hielten den Flüssigkeitsstrom aufrecht, der die innen liegenden
Zellen mit dem Meer verband.
Zur Koordination der Bewegungsabläufe und Konstanterhaltung
des inneren Milieus entwickelte sich ein System der humoralen Steuerung. Es
waren zunächst flüssige Überträgermechanismen, welche an bestimmten Stellen
ganz spezielle Effekte auslösten, die ihren Funktionen entsprachen. Die
natürliche Selektion sorgte wieder dafür, dass sie sich zur sinnvollen
Zusammenarbeit weiterentwickeln konnten.
Zuerst waren es Stoffwechsel-Endprodukte, die von den Zellen
in den extrazellulären Raum ausgeschieden wurden und dort den Nachbarzellen
bestimmte Informationen über die jeweilige Zellaktivität zukommen ließen,
wodurch eine Abstimmung der Aktivitäten erfolgen konnte, wie z.B. die
Synchronisation der Geißelbewegungen.
Später wuchsen entlang des Weges der humoralen Reize die
ersten Nervenleitungen, die dem Bedürfnis nach einer schnellen und gezielten Signalwirkung
durch elektrische Impulse nachkamen. An dieser Stelle ist die Entstehung des
Gehirns anzusiedeln. Allerdings gestaltete sich die nervöse Verbindung nicht
lückenlos. Zwischen den Nervenzellen existieren noch heute winzige Spalte, die
das Überleiten elektrischer Impulse verhindern.
Die Weiterleitung kann nur durch Überträgersubstanzen
erfolgen, die dadurch auch über eine eventuelle Blockade entscheiden. Daraus
entwickelte sich das heutige Hormonsystem. Die Evolution hat sich hier so
verhalten wie ein Konstrukteur, der versucht, zwei grundverschiedene Systeme
miteinander zu verbinden (Ditfurth).
Die Synchronisation der Geißelaktivität erforderte aber eine
gezielte statt einer diffusen Übermittlung von Informationen und forcierte
damit die Entwicklung von zentral gesteuerten Nervenzellen. Das Nervensystem
hatte ursprünglich nichts mit psychischen Vorgängen zu tun. Es bildete nur ein
potentes Signalsystem, das für das Überleben der Organismen vorteilhaft war und
dem wachsenden Konkurrenzdruck entsprach.
Die Ausbildung der Nervensysteme führte zu dem Vorteil, auf
aktuelle Informationen sehr schnell reagieren zu können, während es auf der
Stufe der genetischen Entwicklung sehr lange gedauert hatte, einen neuen
Lerninhalt zu übernehmen.
Die ersten primitiven Nervensysteme entwickelten sich nach
den regelkreisartigen Ordnungsmustern der Selbstorganisation. Ihre nervösen
Netzwerke bestanden aus einzelnen Nervenzellen mit ihren verbindenden
Fortsätzen, die vorerst noch gleichgeschaltet waren. Später entstand eine
Hierarchie aufgrund eines Strickleitersystems von symmetrisch angeordneten
Schaltelementen.
Das Prinzip war, Zustände und Veränderungen der Umgebung an
den Organismus zu vermitteln und in ein angepasstes Verhalten umzusetzen. In
einfachster Form geschah das durch zwei verschiedene Nervenzellen, eine für die
Input-Information und eine für die Output-Instruktion.
Dazwischen wurden später andere Nervenzellen geschaltet, die
einen gewissen Einfluss auf den Input und Output ausübten und sich im Laufe der
Zeit zu Nervenzellanhäufungen (Ganglien) formierten. Deren Zusammenschluss zu
einem zentralen Nervensystem (ZNS) gewährleistete dann bei den höheren Tieren
eine effiziente Koordination der lebenswichtigen Funktionen durch eine zentrale
Steuerung (Seitelberger).
Die Fortpflanzung der Zellkolonien erfolgte nicht mehr durch
Teilung aller Zellen, sondern dazu waren nur noch die Zellen im Hinterleib in
der Lage. Diese teilten sich und brachten mehrere Zellkolonien hervor, die
dadurch ins Freie gelangten, dass die Mutterkolonie platzte und zugrunde ging.
Alle nicht fortpflanzungsfähigen Zellen wurden dadurch zu Körperzellen
degradiert und sahen sich mit dem Tod konfrontiert, da sie isoliert nicht mehr
zum Überleben fähig waren.
Durch die Spezialisierung weniger Zellen auf die Vermehrung
trat zum ersten Mal der Tod als notwendiges Prinzip für alle übrigen auf. Bisher
war das Sterben nur durch Gefressenwerden aufgetreten. Durch die Arbeitsteilung
der Metazoen wurde er nun als Prinzip für alles Leben in die Organisation mit
aufgenommen. Ein Zeichen für die Wertlosigkeit individuellen Lebens, sofern es
nicht für die Weiterentwicklung relevant ist.
Die Notwendigkeit eines Stoffwechsels implizierte für alle
Organismen den Zwang, Makromoleküle oder ganze Lebewesen zu fressen. Durch den
Abbau dieser Moleküle entstand Energie, die für den eigenen Bedarf benötigt
wurde, um sich zu höheren Lebensformen weiter zu entwickeln.
Das Prinzip der Energiegewinnung auf der Basis des
Kannibalismus erscheint uns heute brutal, da Tod und Sterben inzwischen von
extremen psychischen Empfindungen begleitet sind. Doch ist es müßig, darüber zu
spekulieren, ob die Schöpfungsintelligenz gleichgültig oder vielleicht doch
nicht omnipotent (allmächtig) ist. Das freundlichere Prinzip der
Energiegewinnung durch Fotosynthese existiert ebenfalls seit vier Milliarden
Jahren. Ob wir es eines Tages wieder nutzen werden?
Das Prinzip einer Vermehrung durch Teilung hatte die
Ur-Zelle prinzipiell unsterblich gemacht. Einzeller alterten und starben nicht
aus inneren Ursachen. Sie verdoppelten und vervielfachten sich so
kontinuierlich, dass in absehbarer Zeit kein Platz mehr für sie auf der Erde
gewesen wäre. Der Tod erwies sich als Ausweg für eine Entwicklung, die auf
multiple Bereitstellung von Möglichkeiten und anschließende Fehlerkorrektur
baute.
Mutation und Selektion brachten das Sterben mit sich, einzelne
Organismen besitzen keinen Wert für die Weiterentwicklung der Art. Nur die
genetische Information ist wichtig, sie ist potentiell unsterblich. Leider ist
mit unseren Gehirnzellen auch der Sitz unserer Identität vom Tod betroffen.
Ditfurth spekuliert: Wäre unser Bewusstsein in den unsterblichen Chromosomen
lokalisiert, hätten dann unsere Nachkommen die gleiche Identität wie wir?
War vielleicht eine Duplizierbarkeit des Bewusstseins
vorgesehen und wurde nur "durch Zufall" nicht realisiert, weil die
Gehirnzellen selbst nicht mehr fortpflanzungsfähig sind? Der körperlichen
Vermehrung kann im biologischen Sinne keine geistige Duplizierbarkeit
korrespondieren. Doch findet man evolutive Mechanismen auch in geistigen
Bereichen, z.B. im Falsifikationsprinzip der wissenschaftlichen Theorienbildung.
Vor etwa 250 Millionen Jahren begannen die reptilischen
Vorfahren der Säugetiere, das Land als neue Umweltnische zu betreten. Aus
heutiger Sicht verblüfft uns die Tatsache, dass das Leben die Meere verließ und
die Landoberfläche besiedelte, obwohl scheinbar kein Umweltdruck diese
Entwicklung erzwungen hatte.
Im Gegenteil, die anstrengenden und verlustreichen Versuche,
das Wasser zu verlassen, machten eine Reihe komplizierter Zusatzleistungen und
Einrichtungen erforderlich, die bis dahin überflüssig gewesen waren. Der Grund
für diesen Exodus lag möglicherweise in einem zunehmenden Nahrungsmangel
aufgrund der enorm ansteigenden Konkurrenz in den Ozeanen.
Da ergab sich z.B. das Problem der Gravitation, das vierzig
Prozent aller Stoffwechselenergie der Lebewesen erforderte, um das jeweilige
Körpergewicht tragen zu können. Dann der Wassermangel: Die Gefahr des
Austrocknens brachte das Durstgefühl und die Notwendigkeit, rationelle
Ausscheidungsmechanismen zu entwickeln. Das giftige Stoffwechselprodukt
Ammoniak konnte z.B. nicht mehr einfach ausgespült werden, sondern musste durch
Weiterverarbeitung in ungiftigen Harnstoff umgewandelt werden.
Für die Beförderung der Abbauprodukte aus dem Blutkreislauf in
die Nieren benötigt ein Mensch heute da. 150 Liter Flüssigkeit. Diese wird
jedoch durch den wassersparenden Mechanismus der Konzentration dem Körper immer
wieder zurückgeführt, so dass schließlich eine Ausscheidungsmenge von nur ein
bis zwei Litern täglich genügt, um die Wasserversorgung aufrecht zu erhalten.
Außerdem werden ungeheure Energiemengen benötigt, um die
drastischen Temperaturschwankungen auszugleichen, die es im Wasser nicht in
diesem Ausmaß gegeben hatte. Die Atmung musste umgestellt werden, indem die
vorhandenen Luftbläschen zu Lungen umgeformt wurden. Nicht zuletzt waren an
Land auch neue Fortbewegungsorgane erforderlich.
Der Auszug aus dem Wasser auf das Festland war also äußerst
strapaziös und lässt sich nur mit der gewaltigen Potenz des Lebens erklären,
sich auszubreiten und in immer neue Gebiete vorzustoßen. Auch dieses Prinzip
muss schon in der Variabilität der ersten Wasserstoff-Atome verankert gewesen
sein.
Ditfurth vergleicht die Eroberung des Festlandes mit unseren
heutigen Versuchen, ins Weltall vorzustoßen, wozu uns ja auch niemand zwingt,
und was ebenfalls mit ungeheuren Strapazen, Kosten und Verlusten verbunden ist.
Dieses scheinbar irrationale Handeln folgt offensichtlich dem gleichen inneren
Drang, der in unserem genetischen Material codiert ist und schon seit Urzeiten
den Motor alles Lebendigen darstellt.
Für die weitere Zukunft prognostiziert Ditfurth einen
Zusammenschluss aller intelligenten Lebewesen des Universums, deren Existenz
aufgrund statistischer Berechnungen als wahrscheinlich angenommen werden muss.
Im Sinne einer Fulguration werden die Sub-Systeme (z.B. die Menschheit) ein
neues Super-System bilden, das als solches völlig neue Eigenschaften aufweisen
wird. Das Medium dieses Zusammenschlusses soll der Funk
Ein körperlicher Kontakt ist aufgrund der gigantischen
Entfernungen unmöglich. Auch eine noch so fortschrittliche Technik wäre immer
an die Gesetze von Raum und Zeit, also die Lichtgeschwindigkeit gebunden. Unter
dieser Beschränkung könnten selbst mehrere Menschengenerationen nur einen
Bruchteil der Sterne unserer eigenen Galaxis erforschen.
Dazu kommen noch die Schwierigkeiten mit den reziprok
verlaufenden Funktionen des Raumes und der Zeit. Je mehr sich eine Rakete der
Lichtgeschwindigkeit annähert, umso langsamer wird ihre relative Zeit und umso
größer ihre Masse. Eine körperliche Expedition zu fremden Territorien scheidet
also in unserer vierdimensionalen Welt aus. Das muss aber nicht für geistige
Explorationen gelten, denn zumindest in unserer Phantasie können wir uns schon
heute über Raum und Zeit hinwegsetzen.
Die Gleichartigkeit der Systeme extraterristischer
Intelligenzen wird von Zukunftsforschern ebenfalls als wahrscheinlich
vorausgesetzt, da die Entwicklung des Wasserstoffs zu organischem Leben und zur
Intelligenz, basierend auf der Urknall-Theorie, überall gleich lange Zeit in
Anspruch nehmen müsste, und fremde Kulturen aus diesem Grunde nicht viel weiter
entwickelt sein können als wir (wenn sie auch aufgrund abweichender
Umwelt-Bedingungen ein völlig anderes Aussehen aufweisen können).
Uns Erdbewohnern ist jedoch die Anpassung an die Luft als
neues Umwelt-Medium vor mehreren hundert Millionen Jahren so gut gelungen, dass
wir inzwischen das Wasser als feindliches, fast lebensbedrohliches Element
empfinden, in dem wir uns tatsächlich auch nur noch für eine kurze Zeitspanne
am Leben erhalten können.
In den Wäldern der Saurier herrschte damals in der Nacht
Totenstille. Es gab weder Jäger noch Gejagte, so dass die Überlebenschancen
gleichmäßig verteilt waren. Alle verharrten in der Kältestarre, bis der
Sonnenaufgang Licht und Wärme brachte. Die Erdrotation zwang allen an Land
existierenden Lebewesen ihren Rhythmus auf, da chemische Reaktionen unterhalb
einer bestimmten Temperatur kaum noch stattfinden können.
Ob wir heute aus diesem Grunde nachts schlafen müssen, ist
noch nicht erforscht. Eine biologische Notwendigkeit dazu scheint jedoch nicht
zu bestehen, da alle Meeresbewohner keinen Schlaf benötigen. Nach Seitelberger
führte der Zwang zur Anpassung bei einigen mausähnlichen Nagern zur Erfindung
der Warmblütigkeit, die ihnen die Nacht erschloss und sie dadurch vor ihren
übermächtigen Feinden, den Sauriern, schützte, die ausgesprochene Tagtiere
waren.
Diese Nagetiere befanden sich jetzt in einer Welt der
kaltblütigen Echsen im Vorteil, weil sie sich von der völlig passiven
Unterwerfung an die Temperaturschwankungen der Umwelt befreit hatten. Durch
irgend ein neues Enzym hatte ihr Organismus begonnen, überschüssige Energie zu
produzieren, die den Körper über den Bedarf hinaus aufheizte. Damit erhoben sie
sich über das Stadium der Molche und Eidechsen, die Nacht für Nacht in eine
Kältestarre verfielen.
Die neue Art benötigte jetzt auch neue Einrichtungen zur
Distanzmessung. Für diesen Zweck wurden die bereits existierenden Sinnesorgane
des Hörens und des Geruchs ausgestattet. Die dazu gehörige nervöse Einrichtung
war im ZNS lokalisiert. Das bedeutete einen Schritt der Enzephalisation von
Funktionen, d.h. die Verlegung der Informationsverarbeitung aus der Peripherie
in das Zentralnervensystem, wodurch dieses vergrößert wurde. Verschiedene
Informationen konnten dadurch auf ein konstantes Objekt als Eigenschaftsträger
bezogen werden, das im Raum und auch in der Zeit registriert wurde.
Durch die zunächst willkürliche, ungerichtete Mutation der
Warmblütigkeit fuhr das Leben fort, sich von seiner Umwelt zu distanzieren. Es
wurde weitgehend unabhängig von den Temperaturschwankungen. Neben der Tendenz
zum Zusammenschluss der kleinsten funktionellen Einheiten zu einem neuen
Phänomen auf der nächst höheren Entwicklungsstufe lässt sich auch die Tendenz
einer zunehmenden Abgrenzung von der Umwelt konstatieren. Diese schrittweise
Verselbständigung erforderte allerdings auch die Verfügbarkeit von potenten
Sinnesorganen, deren Vorläufer bis zu den ersten Mehrzellern zurückzuverfolgen
sind.
Als die Säugetiere vor fünfundsechzig Millionen Jahren
wieder in Tagesnischen eindrangen, benötigten sie eine neue Evolution ihres
Sehvermögens, dessen Zusammenarbeit mit dem Hör- und Riechsystem in
neugebildeten Regionen der Großhirnrinde im Sinne einer Kortikalisation bereitgestellt
wurde.
Heute ermöglichen ausgeklügelte Protein-Taxonomien der
Biologen einen Vergleich von Eiweißen unterschiedlicher Arten von Lebewesen. Da
der genetische Code universell ist, ergeben sich aus der jeweiligen Anordnung
der Aminosäuren Hinweise auf Artverwandtschaften und historische
Entwicklungsstufen, so dass ein Abstammungsbaum entwickelt werden konnte.
Danach entstanden vor dreißig Millionen Jahren aus einer
gemeinsamen Gruppe von Vorfahren die Altweltaffen und die Neuweltaffen. Von den
letzteren spalteten sich vor acht Millionen Jahren die Orang-Utans ab. Die
nächste Differenzierung war eine Dreiteilung: Vor ca. drei Millionen Jahren
entstanden Gorillas, Schimpansen und Menschen. Die Beschleunigung der
Arten-Aufsplitterungen lässt erwarten, dass in absehbarer Zeit aus uns ein
neues Lebewesen erwächst (Boschke).
Das Überleben einer Art wird gesichert durch die
verschwenderische Vielfalt, mit der die Evolution immer wieder ihre Entwürfe
durchspielt. Die meisten Mutationen sind schon latent vorhanden, bevor sie das
erste Mal sichtbar werden. Diese nicht aktivierten Teile der DNA dienen
gleichsam als ein Experimentallabor für die Evolution. Sie können erst dann von
der Selektion aussortiert werden, wenn sie sichtbar werden. Die Evolution
benötigt solche "Fehler", um auf veränderte Umweltbedingungen reagieren
zu können, ohne den Gesamtbestand zu gefährden.
Doch ist es ein Trugschluss, mit der künstlichen Auslese
besonders "fitter" Lebewesen die Evolution beschleunigen zu wollen.
Auch das Überleben weniger tüchtiger Spezies ist notwendig, um eine möglichst
breite Vielfalt zu gewährleisten. Sonst droht genetische Verarmung und die
Vernichtung ganzer Arten. Eine solche Gentechnologie erreicht genau das
Gegenteil dessen, was sie erreichen will: Anstatt die Evolution zu beschleunigen,
führt sie in eine Sackgasse, aus der es kein Entrinnen gibt (Lange).
Die Kernfrage der Gentechnik lautet: Sind wir schon in der
Lage, Gott zu spielen? Können wir den evolutionären Prozess auf unserem
Planeten in all seinen komplizierten Zusammenhängen erkennen und sogar steuern?
Haben wir das Wissen, um auf die Selbstregulation natürlicher Prozesse
verzichten zu können? Oder ist die genetische Vielfalt die beste
Rückversicherung für das Leben künftiger Generationen? Im besten Fall liefern
wir die nachfolgenden Generationen dem Diktat der Technik aus, die dann allein
in der Lage sein wird, Störfälle in der DNA zu beheben.
Dennoch kann die Gentechnik in vielen Bereichen segensreich
wirken: In der Produktion von Arzneimitteln und Impfstoffen, der Entwicklung
neuartiger Diagnose- und Therapieverfahren oder in der Herstellung nahrhafter
und schädlingsresistenter Pflanzen für die Landwirtschaft (Brandt).
Eine weitere Frage lautet: Ist natürliche Fortpflanzung in
Zukunft noch erforderlich? Matthias Glaubrecht schreibt zu diesem Thema:
Sexualität bedeutet Rekombination (Neuordnung) der Erbanlagen. Doch ist die
geschlechtliche Fortpflanzung relativ neu auf der Erde. In den ersten drei
Milliarden Jahren fand die Vermehrung ohne männlichen Anteil statt, und zwar durch
einfache Zellteilung. Bei der identischen Reduplikation entstand aus einer
Mutterzelle eine Tochterzelle mit der gleichen Erbinformation. Von Natur aus
wird das Weibliche bevorzugt. Eva und nicht Adam war zuerst da.
Blaualgen vermehren sich heute noch durch Zellteilung. Dabei
entstehen Klone, also genetisch identische Abkömmlinge. Bakterien unterscheiden
schon zwischen Sexualität und Vermehrung. Diese Einzeller übertragen
untereinander Teile ihrer Erbinformationen, indem sie einen Zellschlauch bilden,
mit dem sie ihre Erbinformationen in eine andere Zelle einschleusen - als eine
Art Datenautobahn.
Auch heute vermehren sich noch mehr als 1.000 Tierarten
ungeschlechtlich, sogar bei Wirbeltieren können sich allein aus Eizellen neue
Lebewesen entwickeln. Aus Weibchen entstehen wieder Weibchen, ganze
Populationen pflanzen sich ohne Männchen fort. Der Vorteil liegt darin, dass
sich diese Arten schneller vermehren können als andere, da sie weder Zeit noch
Energie in die Entwicklung von Männchen investieren. Bei der geschlechtlichen
Vermehrung wird eine Hälfte der Nachkommen dazu verschwendet, die andere zu befruchten
(Glaubrecht).
Doch ist Jungfernzeugung auch für Menschen sinnvoll?
Immerhin findet die sexuelle Fortpflanzung bei 90 Prozent aller Arten statt und
überwiegt damit bei weitem auf der Erde. Dank der Verschmelzung männlicher und
weiblicher Erbinformationen sorgt die geschlechtliche Vermehrung für eine
schnellere Durchmischung des Erbgutes.
Dadurch ist der Organismus weniger anfällig für Krankheiten
und besser gegen Viren und Parasiten geschützt. Diese Schmarotzer infizieren
nämlich bevorzugt die ihnen bekannten Varianten. An veränderte Organismen
müssen sie sich erst anpassen, indem sie ihr eigenes Erbgut entsprechend
umstellen. Mit genetischer Vielfalt verändern die Wirte ständig den Code ihres
Immunsystems und verringern dadurch die Ansteckungsgefahr durch Parasiten.
Euphorische Erwartungen an die Gentechnik beziehen sich auf
ein verlängertes Leben oder sogar individuelle Unsterblichkeit. Doch ist der
individuelle Tod geradezu die Bedingung für evolutionären Fortschritt. Die
Gleichgültigkeit der Evolution gegenüber unserem Sterben erscheint uns
unfassbar, da doch unser ethisches Gefühl die Besonderheit aller Individuen
suggeriert. Hier liegt eine Dissonanz zwischen der Realität und unserer
Auffassung von Realität.
Unsterblichkeit ist nur denkbar über den Weg, unsere
bewusste Identität in die potentiell unsterblichen Gene zu verlagern. Aber wäre
das sinnvoll oder wünschenswert? Es hieße, ein veraltetes "Modell"
für alle Ewigkeit festzuschreiben, das völlig unflexibel und nicht in der Lage
wäre, sich auf veränderte Umweltbedingungen einzustellen. Die Mängel würden
sich im Laufe der Zeit summieren, ohne durch einen gnädigen Tod beendet zu
werden. Fortschritt und Entwicklung sind nur um den Preis einer begrenzten
Lebensdauer zu haben. Sie ermöglicht immer wieder einen Neuanfang.
März 2003
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