MODERNE MALEREI

 

Der IMPRESSIONISMUS will die Gegenstände der Natur nicht in ihrer Körperlichkeit darstellen, sondern den subjektiven Eindruck einer Szene einfangen.

 

Dabei werden aus unmittelbarer Anschauung der „Zauber des Wassers“ und die „Wunder des Lichtes“ in einzelne Töne zerlegt und in ihrer farbigen Auflösung gezeigt. Vom Maler analysiert, wird das flimmernde Farbspiel als ein Vielerlei kleinster Farbflecke im Auge des Betrachters wieder zusammengesetzt.

 

Die impressionistischen Maler/innen Pissarro, Manet, Degas, Cézanne, Sisley, Monet, Renoir, Bazille, Guillaumin und Moristo entwickelten zwischen 1860 und 1870 an der französischen Kanalküste in licht- und wassergesättigter Atmosphäre die für sie bezeichnende flüssige, luftige und farbenreiche Malweise.

 

Sie riefen mit ihren Bildern 1874 einen Skandal hervor. Das Publikum hielt die Vertreter dieser Anschauungsweise für verirrte, unwissende und anmaßende Künstler, die nur missgestaltete Dinge malen konnten. Ab 1895 trat eine Wende ein: Plötzlich rissen sich die Sammler um jene impressionistischen Bilder, die zuerst verlacht und verachtet worden waren.

 

Doch ist die Gefahr der Verflachung offenkundig bei einer Anschauungsweise, die kaum eine geistige Konzeption enthält und eigentlich nur passiven Charakter hat. Denn der Impressionismus huldigt dem Schein, wenn er versucht, die flüchtigen Reize des Spieles von Licht und Schatten im Bild einzufangen. Damit entsteht eine Abhängigkeit vom Zufall der augenblicklichen Beleuchtung und Landschaftsstimmung (KNAUR: Lexikon der modernen Kunst).

 

EXPRESSIONISMUS bezeichnet einerseits eine künstlerische Strömung des 20. Jahrhunderts und andererseits generell eine Erlebnisart, die auf Kosten der Form (also durch Deformieren) eine Ausdruckssteigerung erstrebt.

 

Es handelt sich um eine Kunstform, die sich besonders in Zeiten sozialer Krisen und des geistigen Umbruchs immer wieder manifestiert hat. Die individualistischen Gestaltungsgrundsätze sind geeignet, den seelisch-psychischen Moment einer Szene zu betonen.

 

Der Expressionismus entstand als Reaktion auf den Naturalismus des 19. Jahrhunderts, dessen künstlerischer Wert inzwischen durch die Erfindung des Fotoapparats in Frage gestellt wurde.

 

1885 und 1900 traten erste expressionistische Strömungen zutage, doch erst nach dem ersten Weltkrieg kam der Expressionismus in Mode. Die Hauptvertreter waren van Gogh, Toulouse-Lautrec, Ensor, Munch und Hodler. In ihren Bildern erfuhr der Subjektivismus dramatische Steigerungen durch monumentale Formen und prägnante, fast karikaturenhafte Zeichnung.

 

Die rigorose Deformation ist das hauptsächliche Mittel der Ausdruckssteigerung, das zu märchenhaft irrealen Bildern voller Ekstatik und Intensität führt. Doch wurde eine gewisse Neigung zur Hysterie zum Verhängnis für viele minder urwüchsige Mitstreiter.

 

Der KUBISMUS will keine Räumlichkeit vorspiegeln, die in der Zweidimensionalität des Bildes gar nicht vorhanden ist, sondern versucht das fehlende Volumen z.B. durch Farbe zu ersetzen. Mit dieser Stilrichtung war der empirische Illusionismus überwunden, der eine dritte Dimension vortäuschte und die Malerei seit der Renaissance beherrscht hatte.

 

Beeinflusst vom Ausdruckswert der Negerskulptur und der Kunst der Primitiven nahmen die kubistischen Maler eine Umwertung der malerischen Kategorien vor, indem sie die Stellung der Objekte im Raum ohne Zuhilfenahme der Perspektive definierten und atmosphärische Phänomene durch streng geometrische Formen auszudrücken versuchten.

 

Das Objekt wird gleichsam aufgebrochen, auseinandergefaltet und als „Ding an sich“ dargestellt. Das den Gegenstand in Facetten zerlegende Strukturprinzip erzielt äußerste dingliche Qualität und gliedert zugleich die Bildfläche auf eine ihrer Zweidimensionalität adäquate Weise.

 

Das Streben nach methodischer Organisation der Bildoberfläche führt zu Formen, die wie mit Axtschlägen zurechtgehauen erscheinen. Trotzdem bleiben die Gegenstände nach der Verwandlung ins Bild leicht erkennbar.

 

Picasso, Braque, Gris und Léger sind die bekanntesten Vertreter dieser Kunstrichtung. Die neuen Bild-Architekten begegneten zwischen 1907 und 1914 einer leidenschaftlichen Gegnerschaft und dem Vorwurf, malenderweise zu theoretisieren.

 

In seiner Endphase hörte der Kubismus auf, Experiment und bildnerische Polemik zu sein. Er wurde zu einer sich selbst legitimierenden Sprache, in der sich das komplexe, abstrahierende Denken unserer Zeit manifestiert.

 

SURREALISMUS versucht, die in unentdeckten geistigen Bereichen wirksamen Kräfte zur Kunstschöpfung zu aktivieren, um einer neuen künstlerischen Sensibilität den Weg zu ebnen.

 

Aus ungewöhnlichen psychischen Zuständen wie der Halluzination oder dem Delirium können künstlerische Imaginationen erwachsen, die es zu identifizieren und zu realisieren gilt. Während die Dada-Bewegung sich darin erschöpft hatte zu zerstören, will der Surrealismus nahezu wissenschaftlich die geheimnisvollen Fähigkeiten des Unterbewusstseins im Traum erforschen.

 

Als Breton 1924 sein Manifest des Surrealismus veröffentlichte, trat an die Stelle der rationalen Anschauung das Wissen von den irrationalen, archaischen Beziehungen. Jenseits der Dingwelt entstand eine Superwirklichkeit, in der das vertraute, von der Vernunft gesicherte Weltbild aufgelöst und der Bereich der Ahnung, des Irrationalen betreten wurde.

 

Die vertrautesten Dinge können absurde Wirkungen hervorrufen, wenn sie in einem ungewohnten Licht oder in ungewohnter Kombination mit anderen Dingen erscheinen. So wird die visuelle Welt zum Medium für dunklere und magische Zusammenhänge.

 

Eigentümliche Verknüpfungen entstehen, wenn der Gedanke ohne die Kontrolle der Vernunft zu neuen Assoziationsformen führt. Die Gegenstände werden ihrer eigentlichen Bestimmung entrückt, und seltsames Leben erglänzt inmitten toter Objekte. In der surrealen Atmosphäre werden die geheimen Triebkräfte metaphysischer Angst bloßgelegt.

 

In ihrer unablässigen Suche nach geheimen Wundern schufen Chirico, Arp, Ernst, Miró, Masson, Tanguy, Magritte und Dali metaphysische Universen, die mit Zeichen von symbolhafter Kraft erfüllt sind. Wir gewahren den endlosen Kampf, den Leben und Tod in uns und in aller Materie ausfechten, wir spüren das Mysterium in der Unendlichkeit des Himmels.

 

SYMBOLISMUS meint die ideelle Interpretation einer Situation im Gegensatz zur direkten Auffassung und Wiedergabe. Es geht nicht mehr um ein genaues Abbild der Welt, sondern um die extrahierte Idee, die mit Hilfe von Symbolen und dekorativen Formen dargestellt wird.

 

Dabei wird der Gegenstand niemals dinghaft angesehen, sondern als Zeichen für eine Idee, die sich durch ihn ausdrückt. Mit Hilfe der dekorativen Abstraktion wird versucht, „die menschliche Schönheit mit dem Zauber des Gedankens zu vereinen“.

 

Doch auch die sozial-ehtischen Momente werden im Symbolismus hervorgehoben. Ein „Stil“ ist diese Kunstrichtung nicht, vielmehr muss sie als der typische Ausdruck der Haltung einer Generation angesehen werden.

 

Der Symbolismus entwickelte sich vom Jahr 1885 an gleichzeitig in der Literatur wie in der bildenden Kunst als Reaktion auf den Naturalismus in der Literatur und den Impressionismus in der Malerei.

 

Für die Vertreter aller künstlerischen Disziplinen galt der Symbolismus als „einzig mögliche Auffassung, die aktuellen Tendenzen des kunstschöpferischen Geistes vernünftig darzustellen“. Es kam ihnen darauf an, die Idee in eine empfindungsreiche Form zu kleiden.

 

Unter den Malern sind hauptsächlich Gauguin, Moreau und Puvis de Chavannes zu nennen, denen es um die phantastische Beschwörung ihrer Vorstellungen mit Hilfe von Symbolen und einer reichen Verkleidung durch dekorative Formen ging.

 

ABSTRAKTE KUNST ist eine ungegenständliche, nichtfigürliche Kunst, die nicht die Erinnerung oder Beschwörung der Realität will. Die erste Phase dieser antinaturalistischen Kunst steht im dialektischen Verhältnis zum Naturalismus, der ihr als Abstoßpunkt gilt. In einer zweiten Phase wird die nonfigurative Kunst zum Prinzip, das sich aus sich selbst heraus rechtfertigt.

 

Es entwickelten sich zwei Richtungen der Abstraktion, die entweder in der Form oder im Erleben das entscheidende Moment sehen. Sie münden in die Kunstformen des Kubismus und des Fauvismus. Während der Kubismus mit Formen experimentiert, wird im Fauvismus die Autonomie der Farben weiter verfolgt.

 

„Empfindungen projizierende Farbflecken“ nennt Kandinsky sein erstes abstraktes Aquarell. Die Erkenntnis, dass Farben einen selbständigen Ausdruckswert besitzen und bestimmte psychische Reaktionen auszulösen vermögen, leitet sich von Goethes Farblehre her. Kandinsky bringt die Psychologie der Farben auch in Beziehung zum Prinzip der Musik; eine Querverbindung, die schon in Goethes Forderung nach einem Generalbass der Malerei angedeutet wird. Bezeichnenderweise nennt Kandinsky seine Werke „Kompositionen“.

 

Kupka gilt als weiterer Vorläufer der Musikalisten, die unmittelbar von der Musik inspiriert sind. Delaunay dagegen gelangt als Orphist zu einem Lyrismus der reinen Farbe, die zugleich Form und Gegenstand sein soll. Weitere Vertreter sind Marc, Hartung und Nay.

 

Die letzte Konsequenz der Abstraktion findet sich bei den experimentierfreudigen Russen. Im Nonobjektivismus wird nur noch ein schwarzes Rechteck auf weißem Grund dargestellt. Dieses Rechteck gilt jedoch nicht als inhaltslos; sondern es drückt die Abwesenheit des Objekts aus.

 

JUGENDSTIL bezeichnet in Deutschland die gleiche Bewegung, die in England unter dem Namen „modern style“ und in Frankreich als „art nouveau“ bekannt ist. Es handelt sich um einen Stil mit barocker Fülle und romantischen Anklängen, dessen Blütezeit um das Jahr 1900 liegt. Die Aussage ist dekorativer Natur, durch eine Überfülle pflanzlicher Motive, gewellter Formen und sich schlängelnder Linien gekennzeichnet.

 

Die ausdrucksvollen, bisweilen auch bloß dekorativen Linien, die züngelnden und gewundenen Konturen des Jugendstils erscheinen ganz augenfällig in den letzten Bildern van Goghs und Seurats, sie sind unverkennbar in den Holzschnitten Gauguins und Vallottons und nicht wegzudenken aus dem Werk Lautrecs, sie sind charakteristisch auch für die Anfänge Munchs, Hodlers und Kokoschkas.

 

Seinen bezeichnendsten Ausdruck hat der Jugendstil in den Plakaten gefunden. Toulouse-Lautrec, Steinlen, Chéret und Cappiello heißen die Meister des lithographierten Plakates. Symbol, Schmuck und Ausdruckskraft waren die Schlagworte der nachimpressionistischen Generation, die sich wieder besonders stark der Zeichnung und der grafischen Künste annahm und sich für die neuen Illustrationstechniken begeisterte.

 

Die Hauptzentren des Jugendstils waren Barcelona, München und Wien. In Wien trugen Dichter und Musiker wie Hofmannsthal, Altenberg und Mahler zur Atmosphäre verfeinerter Kultur und anspruchsvollen Ästhetentums bei. In Darmstadt wurde versucht, aus der neuen Gesinnung heraus Städtebau, Architektur, Plastik und Malerei zu koordinieren.

 

Birgit Sonnek

 

März 2003

 

 

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