Grof, Stanislav: Topographie des UNBEWUSSTEN
Stanislav Grof erforschte siebzehn Jahre lang die
psychologische Wirkung der Droge LSD in Prag. Seine Aufzeichnungen aus vielen
Hunderten von LSD-Sitzungen nahm er mit in die USA, wo er als Professor am
California Institute of Integral Studies, am berühmten Esalen Institute in Big
Sur und am Maryland Psychiatric Research Center tätig war. Dort wertete er die
Daten aus und veröffentlichte sie 1975 in New York.
Grofs Interesse gilt dem menschlichen Unbewussten, das er
mit Hilfe von psychedelischen Drogen, hauptsächlich LSD, an Tausenden von
Probanden zutage förderte und dabei erstaunliche Ähnlichkeiten feststellte. Mit
seinen Studien konnte Grof die Annahme eines kollektiven Unbewussten von C.G.
Jung empirisch untermauern.
Die Ergebnisse seiner tiefenpsychologischen Sitzungen hat er
nach verschiedenen Ebenen und Typen geordnet und im vorliegenden Buch
beschrieben: Danach werden mit längerer Behandlungsdauer und zunehmender Dosis
bei allen Menschen immer tiefere unbewusste Schichten zugänglich, die sich in
ihrer Struktur sehr ähnlich sind.
Grof zufolge träten zunächst erweiterte ästhetische
Erfahrungen auf (Sehen von Farben und Formen), dann verdichtete persönliche
Erinnerungs-Komplexe, danach perinatale (vorgeburtliche) Erfahrungen, und
schließlich transpersonelle, kosmische Erfahrungen. Sie seien anfangs noch sehr
individuell geprägt und würden später immer allgemeiner.
In der Einführung erläutert Grof die Wahl seiner Methode: In
den sechziger Jahren habe die Droge LSD noch als Instrument zur Ausbildung von
Psychiatern gedient, in dem ein ungeahntes therapeutisches Potenzial vermutet
wurde. Die kontrollierte und professionelle Anwendung von LSD bei normalen
freiwilligen Versuchspersonen habe als risikolos gegolten, und die Therapie im
Vergleich zur Elektroschock-Therapie, Insulinkoma-Behandlung und
Psychochirurgie als human.
Viele LSD-Testpersonen hätten in ihren Sitzungen über
ungewöhnliche ästhetische Erfahrungen, tiefe religiöse und mystische Einblicke
sowie ein neues Verständnis für Kunst berichtet. Das habe
Verhaltenswissenschaftler, Philosophen und Theologen dazu veranlasst, über die
Möglichkeit einer "chemischen Mystik" zu diskutieren.
Man habe versucht, die religiösen Phänomene mit
wissenschaftlichen Kategorien oder in Begriffen der Gehirnphysiologie und
Biochemie zu erklären. Einige Theologen hätten dazu geneigt, LSD als etwas
Heiliges und die Sitzungen als Sakramente zu betrachten, weil sie den Zugang zu
einer transzendentalen Wirklichkeit ermöglichten. Eine entgegengesetzte Tendenz
habe jedoch die Echtheit der religiösen Erscheinungen bestritten und sie als
nicht identisch deklariert mit jenen, die in frommer Versenkung oder bei
asketischen Übungen einträten.
Später sei LSD als Straßendroge auf dem schwarzen Markt
zugänglich gewesen und von jungen Menschen für unkontrollierte Laienexperimente
benutzt worden. Sie hätten sich im Wahn Verletzungen zugefügt, sich der
Abendsonne entgegen aus dem Fenster eines Hochhauses gestürzt oder Autos mit
ihrem Körper aufhalten wollen. Sensationsjournalisten hätten eine an
Massenhysterie grenzende Atmosphäre in der Öffentlichkeit geschaffen, indem sie
über die katastrophalen Folgen dieser Selbstexperimente berichteten und LSD als
eine Teufeldroge darstellten.
Diese Berichte hätten die Grundlage gebildet für eine
hexenjagdähnliche Reaktion von Eltern, Lehrern, Geistlichen und
Polizeibehörden. Bedauerlicherweise hätten auch viele Politiker und Fachleute
eine irrationale Einstellung zu der Droge gezeigt, die durch Zeitungsüberschriften
bestimmt gewesen sei und nicht durch seriöse Berichte über wissenschaftliche
Experimente. Schließlich sei LSD vom Militär entdeckt und als Hilfsmittel bei
der Gehirnwäsche benutzt sowie als hochwirksames Mittel der chemischen
Kriegsführung in Betracht gezogen worden.
Tatsächlich träten als Folge von Selbstexperimenten bei
zahlreichen Menschen dramatische Persönlichkeitsveränderungen auf. Die Analyse
der gesamten LSD-Daten habe Grof zu der Annahme geführt, dass diese Substanz
ein Verstärker psychischer Prozesse sei, der aus der Tiefe des Unbewussten
Elemente verschiedenster Art an die Oberfläche bringe. Ein winziges Quantum
verändere die geistigen Funktionsweisen in drastischer Weise. Die Probanden
würden mehrere Stunden in einer phantastischen Welt intensiver Gefühle,
leuchtender Farben und wogender Formen verbringen.
Die auftretenden LSD-Phänomene unterteilt Grof in Physische
Symptome, Veränderungen der Wahrnehmung, Verzerrungen in der
Wahrnehmung von Zeit und Raum, Emotionale Veränderungen, Veränderungen
des Denkens, des Intellekts und des Gedächtnisses, Psychomotorische
Veränderungen, Veränderungen des Bewusstseins, der Sexualität,
des Kunsterlebnisses, Religiöse und mystische Erfahrungen.
Physische Symptome: In unterschiedlicher Häufigkeit
und Intensität träten verschiedene, auch gegensätzliche Symptome auf wie
Beschleunigung der Pulsfrequenz, Ansteigen des Blutdrucks, Schwitzen, kalte
Hände und Füße, Sträuben der Körperhaare, Speichelbildung, Tränenfluss,
Übelkeit, Erbrechen, Zittern, Zucken, Krämpfe, Verrenkungen, Lockerung
sämtlicher Körpermuskeln, Schmerzen, sexuelle Gefühle.
Veränderungen der Wahrnehmung: Visionen
aufflammender Lichter, geometrischer Figuren, komplexer Bilder mit ganzen
Gruppen von Personen oder Tieren, Verwandlung der Umwelt, Überempfindlichkeit
gegen Laute, Ausschaltung oder Steigerung von Geruchs- und
Geschmacksempfindung, Verzerrungen im Bereich des Tastsinns.
Verzerrungen in der Wahrnehmung von Zeit und Raum:
Vergrößerung oder Verkleinerung von Entfernungen und Objekten, horizontale oder
vertikale Zusammenpressung des Raumes, Verlust der Perspektive, Verdünnung oder
Kondensation des Raumes, Erleben vieler subjektiver Räume, individueller
Mikrowelten, Sichauflösen und Verschmelzung mit dem Raum, Gewahrwerden von
Unendlichkeit und Ewigkeit.
Emotionale Veränderungen: Euphorie, heitere
Ausgelassenheit, überströmende Freude, tiefe Gefühle des Friedens, orgiastische
Ekstase, Sinnlichkeit. Bei psychiatrischen Patienten und höheren Dosen komme es
häufiger zu negativen Stimmungsqualitäten wie Angst, Panik, Todesfurcht,
Depressionen, Trauer, Selbstmordvorstellungen, Minderwertigkeits- und
Schuldgefühlen, Apathie oder Aggression.
Veränderungen des Denkens, des Intellekts und des
Gedächtnisses: Manchmal seien die Denkprozesse beschleunigt, in
anderen Fällen verlangsamt. Logisches und abstraktes Denken sei möglich, falle
jedoch schwerer als sonst. Frei assoziierendes bildliches Denken, ähnlich wie
in Träumen, trete in den Vordergrund. Plötzliche Lösungen bestimmter Probleme
würden erkannt, ebenso träten kreative Inspirationen auf. Verzerrte Wahrnehmung
wie Verfolgungs- oder Größenwahn sei jedoch ebenso häufig. Das Gedächtnis sei
leicht eingeschränkt, doch erinnerten sich die Personen später klar an alle
Erlebnisse während der Sitzung.
Psychomotorische und Bewusstseins-Veränderungen:
Handlungshemmung oder psychomotorische Erregung träten zutage, z.B.
unmotiviertes Lachen, diffuse Aggression oder theatralisches Verhalten. Das
Bewusstsein verhalte sich ähnlich wie in Träumen. Im Zuge einer
Bewusstseinserweiterung würden Grenzen überschritten und Phänomene aus dem
tiefen Unbewussten aufgenommen, die sonst nicht zugänglich seien.
Sexualität und Kunsterlebnis: Lange
Zeitabschnitte könnten von intensiven sexuellen Gefühlen und Bildern beherrscht
werden, die auch sadistische oder perverse Elemente enthalten könnten. Es komme
zu einzigartigen Wahrnehmungen von Farben und Formen oder überwältigenden
Eindrücken von Musik. Sie vermittelten oft ein neues Verständnis für Kunst, das
auf Dauer bestehen bleiben könne.
Religiöse und mystische Erfahrungen:
Erlebnisse von Tod und Wiedergeburt, der Vereinigung mit dem All oder mit Gott,
Begegnungen mit dämonischen Wesen oder das Wiedererleben "früherer
Inkarnationen" ließen sich nicht unterscheiden von ähnlichen Schilderungen
in den heiligen Schriften der Weltreligionen oder mystischen Texten alter Kulturen.
Dagegen würden die Reaktionen auf LSD in der klassischen
psychologischen Literatur überwiegend lapidar beschrieben: Nach einer
Latenzperiode von ca. dreißig Minuten folge die sogenannte "vegetative
Phase" mit zumeist unangenehmen physischen Erscheinungen, schließlich die
"psychotische Phase" mit dramatische Veränderungen im optischen
Bereich, Täuschungen und Pseudohalluzinationen.
Grof habe jedoch eine außerordentliche Verschiedenheit der
individuellen Inhalte bei gleicher Dosis registriert. Nicht selten hätte die
LSD-Sitzung die Gestalt einer tiefenpsychologischen Selbsterforschung
angenommen. Die Versuchspersonen regredierten auf frühere Perioden ihres
Lebens, erlebten traumatische Ereignisse aus der Kindheit wieder oder hätten
tiefe mystische Erlebnisse.
Seine Patienten hätten 100 bis 200 mg LSD erhalten, der
Therapeut sei während der gesamten Dauer der Drogenwirkung (6 - 8 Stunden)
anwesend gewesen. Die Reaktionen seien abhängig von der Persönlichkeit der
Testperson. Die Droge besitze keine spezifische Wirkung, sondern sei ein
Katalysator der jeweiligen psychischen Prozesse. Sie aktiviere das unbewusste
Material aus verschiedenen Tiefenschichten der Persönlichkeit. Die auftretenden
Erscheinungen hätten eine bestimmte Struktur und seien in einer spezifischen
Symbolsprache verschlüsselt.
Nach einmaliger
Einnahme von LSD sei es nur selten zur Besserung des klinischen Zustandes
gekommen, eher zu Verschlechterungen. Am nächsten Tag seien Katergefühle und
Erschöpfungen aufgetreten, aber auch große Ruhe und Entspanntheit. Nach
mehreren Sitzungen hätten sich immer tiefere Schichten des Unbewussten entfaltet.
Die Patienten wären immer wieder in einen spezifischen Erfahrungsbereich zurückgekehrt
und jedes Mal tiefer eingedrungen. Es sei zum komplexen Neuerleben
traumatischer Erinnerungen gekommen.
Seien diese Erinnerungen einmal wiedererlebt und integriert,
dann träten sie nie wieder auf, sondern würden durch andere ersetzt. Auf der
Basis dieser Erkenntnisse habe Grof das Konzept einer "psycholytischen
Therapie" entwickelt, die es den Patienten ermögliche, tief sitzende
Konflikte zu lösen. Hysterische Personen seien empfindlich und benötigten eine
niedrige Dosis, Zwangsneurotiker mit massiven Widerständen eine hohe.
Bei seinen Studien in Prag habe sich Grof auf die
allmähliche Entfaltung verschiedener Schichten des Unbewussten konzentriert.
Bei späteren Studien in den USA habe sein Interesse dem Eintreten tiefer
religiöser und mystischer Erfahrungen gegolten. Er vermute, dass diese
Erfahrungen ein hohes therapeutisches Potenzial bei der Behandlung
verschiedener seelischer Störungen besitzen.
Die Testpersonen seiner "psychedelischen Therapie"
seien normale Freiwillige gewesen wie Psychologen, Studenten,
Krankenschwestern, Maler und Musiker, Philosophen, Wissenschaftler und
Theologen - auch Krebspatienten im letzten Stadium. In fortgeschrittenen Phasen
sei oft ein brutaler und primitiver Erfahrungskomplex aufgetreten, der als Wiedererleben
der eigenen Geburt beschrieben wurde. Es habe auch transzendentale Erfahrungen
gegeben, "inhaltslos und doch alles enthaltend".
Allerdings hätte keine beweisbare Beziehung zwischen Dosis
und Wirkung ermittelt werden können. Die Erscheinungen schienen nicht das
Ergebnis einer pharmakologischen Stimulierung des Zentralnervensystems zu sein,
sondern einer chemische Aktivierung psychodynamischer Matrizes im Unbewussten.
Gelegentlich sei eine Testperson gegen hohe Dosierungen resistent gewesen oder
habe starke Abwehrmechanismen gegenüber unangenehmem traumatischem Material
mobilisiert. Der Sättigungspunkt scheine zwischen 400 und 500
µg zu liegen,
darüber hinaus bewirkten zusätzliche LSD-Gaben keine Veränderungen mehr.
Die Wirkung zeige sich in einem verändertem Bewusstsein mit
traumähnlicher Qualität, erheblich gesteigerter Emotionalität, und es gebe eine
Intensivierung geistiger Prozesse mit unterschiedlichen Phänomenen.
Traumatische oder positive Erfahrungen aus der Vergangenheit, die stark
emotionsgeladen sind, würden aktiviert, aus dem Unbewussten ans Licht gebracht
und in komplexer Weise wieder erlebt. Dabei handele es sich um dynamische
Matrizes aus unterschiedlichen Schichten des individuellen und kollektiven
Unbewussten.
Selbst Schmerzen bei früheren Operationen unter Vollnarkose
würden wieder erlebt. LSD könne bei epileptischen Patienten Anfälle auslösen.
Es sei ein hochwirksamer unspezifischer Verstärker biochemischer und
physiologischer Prozesse im Gehirn, hervorragend geeignet als diagnostisches
Instrument oder zur Erforschung des menschlichen Geistes.
Die von Grof ermittelten "Landkarten des
Bewusstseins" würden von vielen Systemen bestätigt, sie seien z.B. mit den
von C.G. Jung postulierten Archetypen des kollektiven Unbewussten voll
vereinbar. Andere Bereiche benutzten eine Fülle anderer Methoden, kämen aber zu
den gleichen Ergebnissen wie die LSD-Forschung.
Grofs Modell enthält vier Hauptebenen von LSD-Erfahrungen: Abstrakte
und ästhetische Erfahrungen, Psychodynamische Erfahrungen, Perinatale
Erfahrungen und Transpersonale Erfahrungen.
Ästhetische Erscheinungen träten in den Anfangsstadien des
LSD-Experiments und bei niedriger Dosierung auf. Es gebe Unterschiede im
Erleben bei geöffneten oder geschlossenen Augen. Im letzteren Fall trete eine
Steigerung des optischen Erlebens ein: Man sehe ungewöhnlich farbenprächtige
Bilder, phantastische exotische Szenerien wie geheimnisvolle Dschungel,
tropische Inseln oder Unterseewelten.
Oft würden geometrische Figuren gesehen, die ihre Form
veränderten und zu gotischen Kathedralen oder maurischen Palästen mutierten.
Kaleidoskopische Schauspiele wie funkelnde Fontänen und Feuerwerke träten auf.
Die Konturen von Gegenständen verschwämmen, alles sei in wellenförmiger
Bewegung, unbelebte Gegenstände würden lebendig. Menschliche Gesichter würden
geometrisiert und verzerrt, die Realität verliere ihren Bezug zur Umwelt,
Farben und Formen lösten sich auf.
Bei geöffneten Augen könne man verschiedene Bewegungsstadien
gleichzeitig sehen oder sie im Zeitraffer bzw. Schnelldurchlauf erleben.
Gegenstände pulsierten, anwesende Personen zeigten groteske Veränderungen,
Flecken an der Wand würden zu komplexen Szenerien. Es werde von "Orgien
des Schauens" gesprochen. Auch akustische Überempfindlichkeit sei typisch
für LSD-Experimente. Synästhetische Effekte träten auf: Man könne Musik sehen
oder Farben schmecken. Die Musik scheine mächtige Gefühlsregungen auszulösen.
Trotzdem bewegten sich die ästhetischen Erfahrungen nur an
der Oberfläche des Bewusstseins. Sie enthüllten nicht das Unbewusste der Person
und bewirkten keine Veränderungen. Deshalb sieht Grof sie als eine direkte
Folge chemischer Stimulierung der Sinnesorgane an. Die auftretenden Emotionen
gehörten allerdings zum biographischen Material des Erlebenden und stellten
einen Übergang von der abstrakten zur psychodynamischen Ebene des
LSD-Erlebnisses dar.
Psychodynamische Erfahrungen entsprängen dem Bereich des
individuellen Unbewussten. Sie stünden im Zusammenhang mit bedeutsamen
Erinnerungen, emotionalen Problemen, ungelösten Konflikten und verdrängtem
Material aus verschiedenen Lebensperioden. Sie seien symbolisch verschlüsselt,
ihre Deutung erfordere die Kenntnis der unbewussten Dynamik sowie der
Mechanismen der Traumarbeit nach Freud.
Einfache Erfahrungen hätten die Gestalt eines Wiedererlebens
seelisch relevanter Ereignisse wie traumatischer oder lustvoller Erinnerungen
aus der Kindheit. Kompliziertere Erscheinungen seien die bildliche Konkretisierung
von Phantasien und Wunschträumen. Das unbewusste Material sei nicht nur
symbolisch verschleiert, es träte auch in Form von Deckerinnerungen auf, bilde
komplexe Mischungen aus Realität und Phantasie, sei defensiv entstellt und
voller metaphysischer Anspielungen.
Psychodynamische Erfahrungen seien häufig bei Personen mit
gravierenden seelischen Problemen anzutreffen. Bei seelisch stabilen Personen
spielten sie eine geringere Rolle. Wenn das unbewusste Material gelöst und
integriert sei, träten sie nicht mehr auf, und der Patient könne zur nächsten
Ebene übergehen. Ihre Erscheinungsweise unter LSD stimme weitgehend mit der
klassischen Psychoanalyse überein und könne als Laborbeweis der Grundprämissen
Freuds betrachtet werden.
Durch Regression in ihre Kindheit würden die Patienten mit
Konflikten der von Freud beschriebenen libidinösen Zonen konfrontiert, die sich
bis zum Ödipuskomplex oder zur Kastrationsangst steigern könnten. Einige
Phänomene ließen sich jedoch nicht mit der Freudschen Konzeption erklären. So
könnten spezifische Erinnerungskonstellationen zu verdichteten
Erfahrungssystemen führen, die Grof COEX-Systeme nennt. Lebhafte Erinnerungen
aus der ersten Lebenszeit würden mit späteren ähnlichen Erfahrungen kombiniert,
die die gleichen Emotionen aufwiesen.
Jedes COEX-System habe ein Grundthema, z.B. alle
Erinnerungen an frühere demütigende und entwürdigende Situationen. In anderen
Fällen könne das gemeinsame Element Angst sein; Klaustrophobie oder Erstickungsgefühle,
die durch erdrückende, beengende Umstände in der Kindheit hervorgerufen worden
seien. Auch das Gefühl des Schuldigseins oder die Erfahrung seelischer
Zurückweisung könnten ein gemeinsames Motiv für ein solches System sein. Andere
Inhalte seien abstoßende Sexualität, Gewalttätigkeit oder echte
Überlebenskämpfe.
Die starke emotionale Befrachtung dieser Systeme sei
offenbar eine Summierung all der Emotionen, die zu den Erinnerungen eines
bestimmten Typus gehörten. Einzelne COEX-Systeme seien mit bestimmten Abwehrmechanismen
und spezifischen Symptomen verknüpft. Sie stünden im Einklang mit Freuds
Psychoanalyse, enthielten aber als weiteres Element ein Organisationssystem,
das die einzelnen Bestandteile zu einer funktionellen Einheit zusammenfüge.
Jede Persönlichkeitsstruktur enthalte mehrere COEX-Systeme.
Grof unterscheidet zwischen negativen (unlustvollen) und positiven (lustvollen)
Systemen, die ähnliche Gefühlserfahrungen und Aspekte des Lebens verdichteten.
Das Primärtrauma sei das älteste Ereignis, das die prototypische Musterform
präge. Es bilde den Grundstock und Mittelpunkt der COEX-Konstellation. Das
Bündel der späteren Erinnerungen sei um diesen Kern gruppiert, und das ganze
System könne auf einen bestimmten Aspekt der Geburt bezogen werden.
Starke Widerstände und Abwehrmechanismen müssten z.T. in
schweren Kämpfen und Seelenqualen überwunden werden, bis die Patienten ihrer
Kernerfahrung gegenübertreten könnten. Das erfolge mosaikartig in zahlreichen,
aufeinander folgenden Sitzungen: Verschiedene Bruchstücke und Facetten einer
komplizierten Geschichte würden getrennt wieder erlebt und später zu einem
sinnvollen Ganzen zusammengesetzt.
Der Patient regrediere auf das Lebensalter, in dem er das
fragliche Ereignis ursprünglich erlebt habe. Auch sein Körperbild entspreche
diesem Lebensalter. So schließe das Wiedererleben von Erinnerungen aus der
frühen Kindheit typischerweise die Empfindung eines Missverhältnisses zwischen
der Größe des Kopfs und der des übrigen Körpers ein. Männlichen Testpersonen
sei ihr Penis lächerlich klein erschienen, weibliche hätten sich ohne
Schamhaare und mit unentwickelten Brüsten erlebt.
Üblich seien naive Wahrnehmungen der Welt, das Fehlen eines
begrifflichen Gerüstes und primitive Gefühle, sogar der Saugreflex trete wieder
auf. Wichtige emotionelle Erfahrungen aus der Vergangenheit würden mit den
gleichen körperlichen Begleiterscheinungen und den dazu gehörenden
Vorstellungen wieder erlebt. Der Zugang zu Kindheitserinnerungen erfolge bei
Hysterikern schon bei der ersten Sitzung und niedriger Dosis, während
Zwangsneurotiker mehrere Sitzungen und höhere Dosierungen benötigen, um den
inneren Widerstand zu überwinden.
Die Liste traumatischer Erfahrungen, die den Kern negativer
COEX-Systeme bildeten, umfasse ein breites Spektrum von Situationen, die die
Sicherheit und Befriedigung des Kindes beeinträchtigten. Die ältesten
Kernerfahrungen seien mit dem Säuglingsalter verbunden. Häufig stehe das
Wiedererleben oraler Frustrationen im Zusammenhang mit einem starren
Ernährungsplan, Mangel an Milch oder Nervosität der Mutter.
Ebenso häufige Traumen seien Frieren, Schmerzen, Überflutung
von Reizen, nachlässige Behandlung oder seelische Entbehrung. Gelegentlich
berichteten Patienten von Stürzen, Unlustgefühlen bei der Entwöhnung, zu heißem
Essen, Ungeduld der Betreuungsperson oder der drohenden Gefahr, vom Körper der
schlafenden Mutter erstickt zu werden. Spätere Erinnerungen bezögen sich auf
Konflikte zur elterlichen Autorität bei der Sauberkeitserziehung.
Mit der Entdeckung anatomischer Unterschiede zwischen den
Geschlechtern seien Kastrationsängste oder Penisneid verbunden (meint Grof).
Masturbatorische Betätigungen seien oft mit Schuldgefühlen verbunden. In
späteren Lebensabschnitten träten negative Ereignisse aufgrund schlechter
Erziehungsmethoden in den Vordergrund wie Bevorzugung der Geschwister, Kritik,
Erzeugung von Schuldgefühlen, Vorwürfe, Demütigungen, Verspottung,
Vernachlässigung, Verrat oder Lügen.
Ereignisse aus noch späteren Lebensperioden träten nur
selten als Kernerfahrungen auf, höchstens in schockierenden Formen wie
Vergewaltigungen oder tragische Unfälle. Die Liste lustvoller
Kindheitserinnerungen als Kern positiver COEX-Systeme sei viel einfacher:
wohlige Sättigungsgefühle, libidinöse Lustempfindungen, das Gefühl des
Geliebtwerdens, Abenteuerlust oder interessante Spiele mit Gleichaltrigen. All
diese Ereignisse würden mit unglaublicher Exaktheit nochmals erlebt.
Das Wiedererleben solcher Ereignisse sei von dramatischen
Veränderungen des klinischen Zustandes begleitet. Jede der Episoden scheine ein
fehlendes Glied zum psychodynamischen Verständnis der Symptome des Patienten
darzustellen. Die Gesamtheit des zutage getretenen unbewussten Materials bilde
ein fast vollständiges Mosaik mit umfassender logischer Struktur (Freuds Prinzip
der Zusammenlegbilder).
Wenn Patienten bei solchen Sitzungen mit der Brutalität
ihrer Geburt konfrontiert würden, könnten sie einen verzweifelten Widerstand
dagegen entwickeln und sich in Mordphantasien flüchten, um das Auftauchen der
Geburtserlebnisse aus dem Unbewussten hinauszuschieben. Darin könnten sie von
der Rolle des Opfers zu der des Täters wechseln, um ihr Bedürfnis nach Rache am
weiblichen Element für die bei der Geburt zugefügte Qual zu befriedigen.
Freud habe geglaubt, dass seine hysterischen Patientinnen
eine Vorgeschichte sexueller Verführung in der Kindheit aufwiesen. Später habe
sich herausgestellt, dass die angeblichen Vergewaltigungen nur in der Phantasie
seiner Patientinnen existiert hätten. Zur Frage der Realität von Erinnerungen,
die in der Psychoanalyse wiederbelebt werden, konstatiert Grof, dass diese
Phänomene immer eine psychische Realität für die Patienten darstellten,
unabhängig von ihrer objektiven historischen Realität.
Ob es sich um wirkliche Erinnerungen handele oder um lebhafte
Phantasien aus noch unbekannten Quellen sei sekundär, für die Psychotherapie
seien sie von großer Relevanz. Kindheitserinnerungen bildeten die tiefsten
Schichten komplexer Erinnerungskonstellationen und fungierten als dynamische
Steuerungssysteme. Bevor diese "Komplexe" verarbeitet werden könnten,
müsse ihre emotionale Aufladung abreagiert werden.
Das Ausmaß der freigesetzten Emotionen scheine jedoch in
keinem Verhältnis zur Schwere der traumatischen Ereignisse zu stehen. Die
emotionelle Ladung sei eher das Produkt einer Reihe ähnlicher traumatischer
Situationen aus späteren Lebensperioden. Das Wiedererleben traumatischer
Kindheitserfahrungen habe oft Veränderungen von Verhaltensmustern,
Wertbegriffen und Einstellungen zur Folge. Die starke Transformationskraft bei
der Integration (Verarbeitung) deute darauf hin, dass hier ein allgemeines
dynamisches Prinzip wirksam sei.
All diese Situationen seien mit Gefühlen der gleichen
Qualität und identischen Abwehrmechanismen verbunden. Ihre Bewusstwerdung sei
von Symptomen wie Kopfschmerz, Übelkeit, Erbrechen, Atemnot oder Muskelkrämpfen
begleitet. Oft nähmen bestimmte Körperorgane eine besondere Rolle ein. Hier
hätten sich offenbar Spannungen angesammelt, die im Laufe der Therapie aus
diesen Zielorganen entladen würden.
Die Kernerfahrung sei die erste Erfahrung einer bestimmten
Art, die im Gehirn registriert worden sei. Sie stelle eine Matrix dar für die
Aufzeichnung späterer Ereignisse ähnlicher Art in den Gedächtnisbanken. Diese
übten eine so mächtige Wirkung auf das Kind aus, dass sie seine Entwicklung
jahrelang beeinflussten. Die Ursachen lägen jedoch in tieferen Schichten des
Unbewussten, die transpersonaler Natur seien. Wenn sie ins Bewusstsein gehoben
würden, hätten sie die Form von Archetypen, stammesgeschichtlichen Erinnerungen
oder früheren Inkarnationen.
Es gebe gewisse kritische Perioden in der kindlichen
Entwicklung, in denen bestimmte Prägungen stattfänden. Bei einer negativen
Familienstruktur könne ein einzelnes traumatisches Ereignis von großer
pathogener Wirkung sein. Es könnten sich aber auch jahrelang stattfindende
negative Interaktionen summieren, und die Gesamtheit ähnlicher Ereignisse würde
im Gedächtnis durch eine einzelne Erfahrung repräsentiert.
In den frühesten Entwicklungsstadien sei das Kind ein
passives Opfer seiner Umwelt. Später werde es zum Mitwirkenden bei der
Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen. Die COEX-Systeme beeinflussten die
Wahrnehmung seiner Umwelt, sein Erleben, Einstellungen und Verhalten. Auch
spezifische Erwartungen und allgemeine Vorannahmen könnten aus dem Muster der
Kernerfahrung logisch abgeleitet werden.
Aufgrund solcher Vorurteile könne es zum generellen
Fehlverhalten gegenüber allen Personen einer bestimmten Kategorie kommen
("Alle Männer sind schlecht."). Der/die Betreffende sei dann nicht
fähig, echte zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen. Vorgefasste
Einstellungen erzeugten immer die gleichen spezifischen Gegenreaktionen und
schienen dadurch die ursprüngliche Fehlannahme zu bestätigen. Um traumatische
Wiederholungen zu vermeiden, sei eine neutrale, abwartende Haltung anderen
Menschen gegenüber nötig, während negative Erwartungen die Feindseligkeit der
Welt regelrecht auf sich zögen.
Diese fortwährende Aktivierung und Verstärkung der
ursprünglich pathogenen Situation könne eine Erklärung für die intensive
emotionale Ladung der einzelnen COEX-Systeme sein. Psychopathologische Symptome
träten bevorzugt dann auf, wenn traumatische Wiederholungen die Befriedigung
von Grundbedürfnissen beeinträchtigten.
Die Visionen, die bei der Aktivierung eines starken
negativen COEX-Systems in einer LSD-Sitzung erlebt würden, seien oft
zusammenhanglos und verschwommen. Ein Chaos von Sinneseindrücken mit Teilen von
Körpern, Landschaften, Möbeln, Kinderspielzeugen oder anderen Gegenständen des
Alltags träte zutage. Im Rückblick ließen sich einige Fragmente als Elemente
der traumatischen Kernerfahrung identifizieren, andere als symbolische
Variationen über das Grundthema.
Typisch sei eine Diskrepanz zwischen Inhalt der Erfahrung
und dem Affekt. Viele Erlebnisse erschienen völlig absurd und könnten erst
verstanden werden, wenn das ganze System bekannt sei. So könne z.B. das
Erblicken eines täglichen Gegenstandes mit panischer Angst verbunden sein, mit
Selbstmordgedanken oder Ekel. Trotzdem besitze die scheinbar paradoxe
Verknüpfung ihre innere Logik. Der triviale Gegenstand sei Teil der Umgebung
gewesen, in der das traumatische Ereignis stattfand.
Häufig gingen einem auftauchenden COEX-System dramatische
motorische Manifestationen voraus wie Erbrechen, Atembeschwerden, Zuckungen und
Krämpfe, katatonieartige Erregung oder Lähmung, stereotype Bewegungen oder
Plappern. All diese Vorboten eines aus dem Unbewussten auftauchenden
COEX-Systems würden in extremer Intensität bei der Wiederholung des
Geburtstraumas erlebt. Grof nimmt an, dass der Geburtsvorgang die tiefste
Matrix für diese Manifestationen darstellt.
Eigentümlich sei auch, dass die Versuchsperson die Rollen
aller beteiligten Personen erleben könne, z.B. die Rolle des Opfers und die des
Angreifers. Bei der von Freud beschriebenen traumatischen "Urszene",
in der das Kind Zeuge des Geschlechtsverkehrs zwischen seinen Eltern wird,
komme es nacheinander zur Identifikation mit der Rolle des aggressiven Mannes,
mit der Frau als Opfer und mit dem Beobachter.
Ein Patient, der von sinnlosen Schuldgefühlen gequält werde,
neige oft dazu, den Therapeuten anzugreifen. Dann könne er seine Schuldgefühle
den gegenwärtigen Ereignissen zuordnen und müsse sie nicht als unverständliche Elemente
aus dem eigenen Innern betrachten. Der Therapeut müsse das Manöver rechtzeitig
erkennen und dem Patienten eine korrigierende Gefühlserfahrung ermöglichen,
denn wenn ein starkes COEX-System aktiviert, aber nicht aufgelöst werde, könne
es zu einer Verstärkung der klinischen Symptome kommen.
Das Verhalten der Patienten umfasse komplizierte psychische
Manöver, die bei ihren Mitmenschen spezifische Reaktionen hervorriefen. Die
daraus entstehenden Situationen spiegelten das traumatische Geschehen direkt
wider. Dadurch würden sich diese Systeme selbst verstärken und durch den
Mechanismus der "sich selbst erfüllenden Prophezeiung" immer wieder
auftreten. Unter dem Einfluss eines positiven COEX-Systems dagegen
strahle die Person einen Optimismus aus, der als Grundlage für positive
zwischenmenschliche Beziehungen dienen könne.
Psychodynamische LSD-Sitzungen seien ein Prozess der
allmählichen Entfaltung, Abreagierung und Integrierung negativer COEX-Systeme,
um Zugangswege für die Einflüsse positiver Systeme zu eröffnen. Das passiere so
lange, bis die älteste, die Kernerfahrung, wieder erlebt und integriert worden
sei. Danach verliere ein solches System seine Lenkungsfunktion und tauche nie
wieder auf.
LSD-Sitzungen bewirkten tiefgehende Veränderungen im Ich der
Patienten. Manchmal käme es zu einer COEX-Transmodulation, einer Verlagerung
von einem negativen System auf ein anderes. Es könne ein COEX-System in einer
einzigen Sitzung abgebaut, wiedererlebt und integriert werden, in
Ausnahmefällen dauere es 15 bis 20 LSD-Sitzungen. Bei einigen Patienten seien
die Freudschen Probleme vorherrschend, andere drängen relativ schnell zu
tieferen Schichten des Unbewussten vor. Früher oder später jedoch verschwänden
die Elemente des individuellen Unbewussten und jeder trete schließlich
in die Bereiche der perinatalen und transpersonalen Phänomene ein.
Die Merkmale perinataler Erfahrungen seien die Probleme von
Geburt, Altern, und Tod sowie der damit verbundenen Schmerzen und Ängste. Die
Begegnung mit diesen erschütternden Aspekten menschlicher Existenz sowie die
Erkenntnis unserer Vergänglichkeit seien immer von einer Existenzkrise
begleitet. Die Ähnlichkeit zwischen Geburt und Tod - die Erkenntnis, dass der
Beginn des Lebens und sein Ende einander gleich seien - eröffne spirituelle und
religiöse Erfahrungen, die zum Wesen des Menschen gehörten und von der Kultur
unabhängig seien.
Jeder, der zu diesen Ebenen vordringe, entwickle Einsichten
in die überragende Bedeutung spiritueller Dimensionen in der universalen
Seinsordnung. Selbst hartgesottene Materialisten, positivistische
Wissenschaftler, Skeptiker, Zyniker, kompromisslose Atheisten und marxistische
Philosophen interessierten sich plötzlich für das Spirituelle, nachdem sie mit
diesen Schichten in ihren eigenen Innern konfrontiert worden seien.
Die Begegnung mit dem Tod bedeute ein tiefes, unmittelbares
Erleben der Endangst. Das Gewahrsein des Sterbens vollziehe sich meist durch
symbolische Mittel, aber auch durch Denkprozesse oder Visionen von sterbenden
Menschen, verwesenden Leichnamen, von Friedhöfen und Särgen. Die eigentliche
Grundlage dieser Erfahrungen sei jedoch das reale gefühlsmäßige Erleben der
äußersten biologischen Krise, das Testpersonen häufig mit dem tatsächlichen
Sterben verwechselten.
Die aufeinander folgenden Szenen von Sterben und
Geborenwerden seien ungemein dramatisch, oft verbunden mit heftigsten
Schmerzen, Atemringen, Zuckungen und Verrenkungen, Übelkeit und Erbrechen.
Diese Erfahrungen würden häufig als Wiedererleben des eigenen Geburtstraumas
beschrieben. Auch Personen, die diese Verbindung nicht herstellten und ihre
Begegnung mit Tod und Wiedergeburt rein philosophisch auffassten, nähmen oft
Haltungen ein, die an die Bewegungen eines Kindes während des Geburtsvorganges
erinnerten. Häufig träten auch Visionen von Embryos und Feten auf.
Perinatale Erfahrungen seien Manifestationen einer tieferen
Schicht des Unbewussten, die außerhalb der Reichweite der klassischen
Freudschen Methoden liege. Bei hohen LSD-Gaben seien perinatale Elemente schon
in der ersten Sitzung zu beobachten. Alkoholiker und Drogensüchtige schienen
einen leichteren Zugang zu haben als Leute mit psychoneurotischen Problemen.
Auch bei manisch-depressiven Psychosen und bei Schizophrenie träten perinatale
Elemente auf.
In vielen alten und sog. primitiven Kulturen habe es
hochwirksame Prozeduren gegeben, um solche Erfahrungen zutage zu fördern. Sie
hätten immer in religiösen Zusammenhängen gestanden, z.B. bei Durchgangs- und
Initiationsriten. Das Spektrum der Methoden reiche von der Gabe psychoaktiver
Substanzen pflanzlichen oder tierischen Ursprungs über Trancetänze, Fasten,
Schlafentzug, Schock und körperlicher Folter bis zu spirituellen Meditationen.
Perinatale Erfahrungen seien häufig von der Identifikation
mit anderen Personen oder mit der ringenden und leidenden Menschheit insgesamt
begleitet. Oft träten sie im Zusammenhang mit transpersonalen Erfahrungen auf
wie evolutionäre Erinnerungen, Elemente aus dem kollektiven Unbewussten und
gewisse Jung'sche Archetypen. Sie verbänden subjektive Erinnerungen mit
transpersonalen Erfahrungen. Auffallend seien die Parallelen zwischen
perinatalen Erfahrungsmustern und den tatsächlichen klinischen Stadien einer
Niederkunft. Jede Stufe der Geburt besitze offenbar ein spezifisches geistiges
Gegenstück.
Grof hat vier perinatale Matrizen herausgearbeitet: Den
Zustand vor der Geburt, die ungestörte Existenz in der Gebärmutter, vergleicht
er mit der Erfahrung kosmischer Einheit. Das Einsetzen der Geburt habe seine Parallele
im Gefühl einer universalen Verschlingung, die Kontraktionen des Uterus
korrespondierten mit dem Erlebnis der Ausweglosigkeit und des
Eingeschlossenseins. Das Vorangetriebenwerden durch den Geburtskanal sei
vergleichbar mit dem Kampf Tod - Wiedergeburt. Der Austritt aus dem Mutterleib
sei analog zu Erlösungs- und Befreiungsvisionen.
Diese perinatalen Grundmatrizen hätten feste Assoziationen
zu persönlichen Erinnerungen des Individuums, sie stünden in Verbindung mit
erogenen Zonen und psychiatrischen Störungen. Im Folgenden ordnet Grof jeder
Geburtsphase spezifische LSD-Erlebnisse zu:
1. Phase - Ureinheit mit der Mutter (vor der Geburt): Gefühle
mystischer Vereinigung, libidinöse Befriedigung aller erogenen Zonen,
Liebeserfüllung, Assoziationen schöner Natur und Kunst, Schwimmen im Meer,
ozeanische Form der Ekstase, kosmische Einheit, Paradiesvisionen. Bei
versuchten Abtreibungen: kosmische Verschlingungen, Begegnung mit bösen
Mächten, schicksalhafte Erfahrungen, Ekel (bei Vergiftungen).
2. Phase - Austreibung (Kontraktionen im geschlossenen
Uterus): Höllenqualen, Depressionen, Minderwertigkeits- und Schuldgefühle,
Alkoholismus und Drogensucht. Durst, Hunger, Kälte, Schmerz. Assoziationen mit
Unfällen, Operationen, Ersticken. Maßloses Leiden, Gefühl einer Falle (kein
Ausgang), apokalyptische Weltvorstellungen, düstere Farben.
3. Phase - Vorwärtsbewegung durch den engen Geburtskanal:
Sadomasochismus, Selbstverstümmelung, männliche Homosexualität, Zwangsneurose,
Asthma, Angsthysterie, Impotenz, Frigidität, Migräne. Verschlingen von Nahrung,
Defäkation, Orgien und Karneval, Vergewaltigung und Orgasmus. Aggression und
Vernichtung, Kämpfe und Kriege, Mord und Blutopfer. Intensivierung des Leidens,
Grenzerfahrung zwischen Schmerz und Lust, vulkanische Form von Ekstase.
4. Phase - Trennung von der Mutter: Erlebnisse von Tod und
Wiedergeburt, messianische Wahnvorstellungen, Erlösung, weibliche
Homosexualität, Exhibitionismus. Stillung von Hunger und Durst, lustvolles
Saugen. Überwindung schwerer Hindernisse, Kampf mit erfolgreichem Ausgang.
Visionen gigantischer Hallen, strahlenden Lichtes, schöner Farben, humanitäre
Neigungen. Bei Nabelkrise Kastrationsangst.
In Phase 1 bildeten Kind und Mutter eine symbiotische
Einheit. Das Kind fühle Sicherheit, Schutz und Befriedigung aller Bedürfnisse.
Unter LSD gebe es Erinnerungen an ozeanische Bewusstseinszustände und Gefühle
kosmischer Einheit, Frieden, Heiterkeit Glückseligkeit, Heiligkeit und
Zeitlosigkeit. Vorgeburtliche Krisen durch Krankheit, Alkohol, Lärm oder
Abtreibungsversuche hätten einen negativen Einfluss auf die Visionen.
Auch paradoxe Erfahrungen träten auf: Inhaltsleere zusammen
mit All-Einheit, Verlust des Ich bei Ausweitung des Bewusstseins über das
gesamte Universum, Identität mit Gott und gleichzeitig Nicht-Sein, Erkenntnisse
von universaler Bedeutung ohne jede Information. Offenbarungsartige Einsichten
in das Wesen des Seins seien ebenso häufig wie Gefühle des Einsseins mit
Objekten, Erkennen von Schönheit und Glanz.
Das Universum erscheine als geheimnisvoll und rätselhaft, es
bestehe aber kein Wunsch nach rationaler Analyse. Alles erscheine vollkommen,
die Haltung sei zuversichtlich, das Böse unwichtig. Erhöhte Kreativität
korrespondiere mit dem Wunsch nach Selbstverwirklichung und sozialen Reformen.
Raum und Zeit würden transzendiert, historische und evolutionäre Visionen
träten auf sowie Identifikationen mit Menschen, Tieren und Pflanzen, sogar mit
dem Weltall, Gott und den Archetypen.
Manche Testpersonen hätten von früheren Inkarnationen
berichtet oder Verbindungen zwischen dem meditierenden Buddha und einem Embryo
im Mutterschoß gesehen. Das Auftreten von Dämonen und zornigen Gottheiten hänge
eng mit intrauterinen Störungen zusammen. Blutdürstige und wilde Dämonen
symbolisierten die Gefahren der Geburt, heimtückische und verschlagene stünden
für die schädlichen Einflüsse während der Existenz in der Gebärmutter.
Auch Elemente eines bösen Karmas seien gesehen worden sowie
Übergänge von "karmischer Gesetzmäßigkeit" zu der von Naturgesetzen regierten
Erscheinungswelt. Viele Episoden intrauteriner Bedrängnis hätten Ähnlichkeit
mit der Welt der Schizophrenen aufgewiesen. Störungen des intrauterinen Lebens
schienen generell eine Quelle schizophrener und paranoider Zustände zu sein.
Nach Grof könnte das die unscharfe Grenze zwischen Schizophrenie und geistiger
Erleuchtung erklären. Zumindest bestehe eine enge Verbindung zwischen
ungestörter intrauteriner Existenz und tiefen religiös-mystischen Erfahrungen.
Wenn positive COEX-Systeme mit dieser Matrix verbunden seien,
erlebten die Patienten glückliche Perioden aus ihrer frühen Kindheit, auch
harmonische Erinnerungen aus dem späteren Leben. Typische Visionen seien der
Sternenhimmel, üppige Dschungel oder die Unterseewelt. Auch farbenfrohe
Gemälde, intensive Musik, funkelnde Juwelen oder hohe Kathedralen würden mit
der Ekstase der ersten Phase verbunden. Bei unangenehmen Aspekten dieser Phase
seien Bilder von industriellen Großstädten, verschmutzten Flüssen oder
verpesteter Luft aufgetreten.
Grof unterscheidet sogar zwischen Einflüssen, die auf
Nahrungsfaktoren zurückgingen (Alkohol, ungeeignete Speisen), oder die in
chemischer Form die Gefühle der Mutter vermittelten wie Angst, Nervosität,
Zorn. Die Vorstellung, der Fötus könne ein Bewusstsein aufweisen und alle
Nuancen seiner Interaktion mit der Mutter wahrnehmen, stehe eigentlich im
Gegensatz zu seiner medizinischen Ausbildung, gibt er zu. Doch habe sich der
Konflikt gelöst, als er sein analytisches Denken aufgab und die neuen
Erfahrungen so akzeptierte, wie sie auftraten.
Nachdem er seine Vorbehalte aufgegeben hatte, sei das
Gesichtsfeld klarer geworden, und das Wesen der Sitzungen habe sich verändert.
Er berichtet von einem Selbstversuch: Eine Flut von Licht und Energie habe ihn
eingehüllt, er habe sich gefühlt wie ein Fötus, der die Seligkeit des
Mutterschoßes erlebt. Er sei zum gesamten Weltall geworden und habe das
Schauspiel des Makrokosmos mit unzähligen pulsierenden Milchstraßen erlebt.
Im Mikrokosmos habe er den Tanz der Atome bis zu den
Ursprüngen des Lebens und der Formierung von Zellen gesehen. Er habe das
Universum so erlebt, wie es wirklich sei: ein göttliches Spiel von Energie.
Alles in diesem Universum schien bewusst zu sein. Nachdem er schon die
Möglichkeit eines fötalen Bewusstseins akzeptiert hatte, habe er gespürt, dass
das Bewusstsein alle Existenz durchdringe. Die pantheistischen Religionen, die
Philosophie Spinozas und die Lehre Buddhas seien plötzlich lebendig geworden
und hätten einen neuen Sinn bekommen.
Die fundamentale Triebkraft jedes Menschen sei offenbar die
Sehnsucht nach der Wiederherstellung des Zustandes vollkommener Erfüllung, wie
er einst im Mutterleib erfahren worden sei. Nach diesem Prinzip strebten alle
Märchen einem glücklichen Ausgang zu, würden Revolutionen stattfinden und Kunstwerke
geschaffen. Aller Kreativität zugrunde liege der Wunsch nach Verbindung mit
diesem Ort im eigenen Unbewussten.
Im positiven Wiedererleben der fötalen Existenz erfahre man
die fundamentale Identität des Einsseins mit dem Weltganzen, das Jenseits, das
im Innern sei. Man könne sogar die eigene Empfängnis erleben und verschiedene
Stadien der embryonalen Entwicklung. Erinnerungsspuren aus dem Leben unserer
tierischen Ahnen könnten auftreten, man werde zum Fisch, der in kristallklaren
Wassern schwimmt, zum Schmetterling, der über Bergwiesen gaukelt, zu einer
Möwe, die übers Meer gleitet.
Grofs Erklärung dieser Phänomene: Möglicherweise werde der
genetische Code unter bestimmten Umständen in eine bewusste Erfahrung
übersetzt. Während des LSD-Erlebnisses scheine die Natur ihre Geheimnisse zu
entfalten, man bade in goldenem Licht und fühle sich, als sei man aus reiner
Energie und geistigen Schwingungen zusammengesetzt. Nur widerwillig gebe man
dieses Erlebnis auf und kehre zu seinem gewöhnlichen Bewusstsein zurück.
Phase 2 sei gekennzeichnet durch starke Kontraktionen der
Gebärmutter. Für den Fötus entstehe eine Situation äußerster Not und Lebensbedrohung.
Mutter und Kind befänden sich in einem Zustand des biologischen Konflikts und
seien füreinander wechselseitig eine Schmerzquelle. Erinnerungen an dieses
Stadium könnten sehr realistisch sein oder verfremdet auftreten, z.B. durch das
Gefühl des Eingeschlossenseins (kein Ausgang!). Die Testperson erlebe
Höllenqualen und tiefe Dunkelheit. Die Situation erscheine unerträglich,
zugleich endlos und hoffnungslos.
Auf tieferer Ebene könne dieses Muster als Höllenvorstellung
erlebt werden, als metaphysisches Leiden, wie es von verschiedenen Religionen
dargestellt werde. Oberflächlich gewahrten die Testpersonen selektiv nur die
hässlichen, bösen und hoffnungslosen Aspekte des Seins. Typisch sei die
einfühlende Identifikation mit unterdrückten und gefolterten Menschen. Die Welt
erscheine grotesk, monströs und absurd, voller Automaten, Roboter und
Anomalien. Die Qual der Geburt werde mit der Qual des Todes verknüpft, man
fühle sich hilflos, nackt und ausgeliefert.
Die Menschen schienen in die Welt geworfen ohne jede Wahl,
die Suche nach einem Sinn im Leben sei von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Auf intellektueller Ebene führe diese Erfahrung gewöhnlich zu einem neuen
Verständnis der Existenzphilosophie von Kierkegaard, Heidegger, Sartre und
Camus. Diese Denker schienen auf den Erfahrungskomplex der perinatalen Phase 2
eingestimmt zu sein, ohne jedoch die einzig mögliche Lösung dieser Situation zu
erkennen: die Transzendenz.
Quälende Gefühle der Trennung und Entfremdung,
Minderwertigkeits- und Schuldgefühle seien Bestandteile dieser Phase. Sie
könnten die Dimension der biblischen Erbsünde erreichen. Viele fürchteten, die
geistige Kontrolle zu verlieren oder glaubten, Einsicht in die Absurdität des
Weltganzen zu erlangen. Sie hatten das Gefühl, nie mehr zu der gnädigen
Selbsttäuschung zurückkehren zu können, die die Voraussetzung geistiger
Gesundheit sei. Sie befänden sich in einem Labyrinth, sähen kahle
Winterlandschaften, ausgedörrte Wüsten, einen finsteren Himmel.
Vergleiche der symbolischen Bilder dieser Phase mit alten
Mythen führten zu Sisyphus mit seinen vergeblichen Versuchen, einen Marmorblock
den Berg hinaufzurollen; zu den Qualen des hungrigen und durstigen Tantalus,
dem sich die Nahrung immer entzog, wenn er danach griff; zu Prometheus, der an
den Felsen geschmiedet war und von dessen Leber ein Adler ständig Stücke
heraushackte; Erinnyen, die den Fluch der Schuld und das unausweichliche
Schicksal symbolisieren, die Austreibung von Adam und Eva aus dem Paradies, das
Leiden Jesu am Kreuz.
Die Erinnerung an die beginnende Austreibung aus dem
Mutterschoß könne als kosmische Verschlingung erlebt werden, Visionen gigantischer
kosmischer Strudel träten auf, die alles verschlängen, oder man werde von
Drachen, Schlangen und Kraken bedroht. Zu den körperlichen Symptomen gehörten
extremer Kopfdruck, Ohrensausen, Erstickungsgefühle, Herzbeklemmungen und
unlustvolle Spannungen wie Hunger, Durst, sexuelle Frustration. Psychische
Symptome seien Ängste, Klaustrophobien, Angst vor dem Verlassenwerden oder
emotioneller Ablehnung.
Die Phase 3 sei mit dem klinischen Stadium des
Geburtsvorganges verknüpft. Der Muttermund sei weit geöffnet, der Fötus werde
vorangetrieben. Er sei dabei gewaltigem Druck und hochgradigen Erstickungszuständen
ausgesetzt und müsse um sein Leben kämpfen. Doch die Interessen von Mutter und
Kind fielen jetzt zusammen, ihr vereintes Streben richte sich auf die
Beendigung dieses qualvollen Zustandes.
In LSD-Sitzungen werde diese Matrix als Kampf zwischen Tod
und Wiedergeburt erfahren. Das fundamentale Thema dieser Phase sei die Begegnung
mit dem Tod. Die Person erlebe eine katastrophale Erhöhung des Schmerzes, eine
Verdichtung von Energie und ihre explosionsartige Entladung. Die begleitenden
Visionen umfassten Naturkatastrophen wie Vulkanausbrüche, verheerende Erdbeben
oder Wirbelstürme.
Leiden und Spannung würden über den Grad hinaus gesteigert,
den die Betroffenen bis dahin für möglich gehalten hätten. Wenn die absolute Erfahrungsgrenze
erreicht sei, verliere die Situation jedoch ihren qualvollen Charakter und
verwandle sich in eine wilde, ekstatische Verzückung von kosmischen
Proportionen, in eine "vulkanische Ekstase". Sie schließe die
Entladung aggressiver und destruktiver Elemente mit ein.
Die Perspektive wechsele hin und her zwischen den Qualen des
Opfers und der Identifikation mit der Wut der Elementarkräfte und der
destruktiven Energie. In extremen Grenzbereichen lasse sich Schmerz nicht von
Lust unterscheiden, sengende Hitze nicht von schneidender Kälte, mörderische
Aggression nicht von leidenschaftlicher Liebe und die Qual des Sterbens nicht
von der Ekstase des Geborenwerdens, sagt Grof.
Sadomasochistische Elemente träte regelmäßig in diesem
Erfahrungskomplex auf, verbunden mit Visionen von Folterungen, bestialischen
Morden, Massenexekutionen, blutigen Schlachten, Kreuzzügen, Verstümmelungen,
Abschlachten von Tieren. Man identifiziere sich mit grausamen Tyrannen wie
Nero, Dschingis Khan, Pizarro, Hitler oder Stalin. In abgemilderter Form
erlebten die Personen wilde Abenteuer, Kämpfe mit riesigen Schlangen oder
Fallschirmsabsprünge.
Typisch für diese Phase sei auch heftige sexuelle Erregung
mit Visionen wilder Orgien, Phalluskulten, Fruchtbarkeitsriten, rhythmischen
Tänzen oder Karnevalsszenen. Die Entfesselung scheine unbedingt zum Endstadium
des Kampfes um Tod und Wiedergeburt zu gehören. Ein weiterer Aspekt sei die
Berührung des Kindes mit Blut, Schleim und Fäkalien in dieser Phase, was sich
in Cunnilingus-Visionen äußern könne. Damit verbunden seien Bilder von Sünden
reinigender Göttinnen.
Wichtig sei auch die Begegnung mit dem alles verzehrenden
Feuer, das als reinigend erlebt werde. Der Patient stürze sich hinein oder gehe
hindurch. Es vernichte alles, was faul und verdorben sei. Parallelen zu
mittelalterlicher Hexenverbrennung träten auf oder zum verjüngenden Feuer, das
ewige Jugend gewährt. Phönix, der immer wieder aus der Asche aufsteigt, Moses
am brennenden Dornbusch, das Jüngste Gericht, Fegefeuer und Satansmessen. Auch
ritueller Kannibalismus wurzele in dieser Matrix, ebenso wie das Symbol der
Sphinx als destruktivem weiblichen Element, das gleichzeitig das Tierische im
Menschen transzendiert.
Die tiefen Einsichten in die menschliche Natur, die diese
Phase begleiteten, werfen nach Grof ein neues Licht auf die Phänomene Gewalt,
Krieg und Revolution sowie auf vielerlei Aspekte der Sexualität und Religion.
Die Kombination schmerzhafter Empfindungen mit libidinösen Gefühlen und
extremer Aggression scheine durch das Geburtstrauma präformiert zu sein. Im
Lichte dieser Erkenntnisse müsse unser Wertesystem völlig neu interpretiert
werden.
In der Phase 4 werde der Höhepunkt der qualvollen
Erlebnisse überwunden, die Ausstoßung durch den Geburtskanal gelange zum Ende,
der äußersten Steigerung von Leiden folge eine plötzliche Erleichterung. Das
Kind erlebe seinen ersten Atemzug, die Erstickungsgefahr sei gebannt, die
Trennung von der Mutter vollendet, die Existenz als selbständiges Einzelwesen
beginne. Die neue Situation sei viel besser als die beiden vorangegangenen
Stufen, aber schlechter als das ursprüngliche Einssein mit der Mutter.
Visionen blendend weißen oder goldenen Lichts träten auf
sowie eine ungeheure Expansion des Raumes. Es sei eine Atmosphäre der
Befreiung, Erlösung, Rettung, Liebe und Vergebung. Schuld, Aggression und Angst
seien abgeworfen, Solidarität und Freundschaft, Demut und Altruismus träten
hervor. Geld, Ansehen und Macht erschienen in dieser Phase absurd und kindisch.
Die Empfänglichkeit für Naturschönheiten sei gesteigert, Sehnsucht nach dem
einfachem Landleben trete auf.
Tiefe und Weisheit der Gedanken seien typisch für die
Lebenseinstellung dieser Phase. Der Patient entdecke positive Werte wie
Gerechtigkeit, Schönheit und Liebe. Er empfinde Freude, Heiterkeit und
Gelassenheit. In Auferstehungsvisionen werde die Passion Christi erlebt, seine
Erhebung vom Kreuz zum Licht als einen Aufstieg durch blaue, grüne, rote Farben
ins Weiße und Reine, ins absolute Licht als Zentrum einer Energiequelle. Darauf
folge der Abstieg in eine Welt von großer Schönheit und die Gewissheit: Auch in
den Tiefen könne das Licht erblickt werden. Andere Symbole seien die Enthüllung
des heiligen Grals, die gefiederte Schlange der Azteken oder der ägyptische
Gott Osiris.
Triumphierende, heroische Gefühle und Siegesstimmung
herrschten vor. Die guten Mächte des Lichtes siegten über das Böse und die
Dunkelheit. Übernatürliche Visionen blendenden Lichtes schienen von göttlichen
Quellen auszugehen. In Mythen vereinige sich an dieser Stelle das individuelle
Selbst mit dem universalen Selbst. Archetypische Gestalten wie der weise alte
Mann oder die große Mutter träten auf.
Sakrale Kathedralen würden gesehen, bunte Frühlingslandschaften,
üppige Wiesen mit Knospen und Blüten, Regenbogen, Sonnenaufgänge, die
Besteigung hoher Berge werde erlebt. Die Phase sei mit Geborgenheit,
Fruchtbarkeit und Fülle verbunden. Sie korrespondiere mit dem Zustand der
sexuellen Befriedigung, Stillung von Durst und Hunger oder dem Lustgefühl durch
Saugen und Lutschen.
Grof weist darauf hin, dass die Reihenfolge der
beschriebenen Phasen in LSD-Sitzungen eine andere sei. Wenn die Patienten die
psychodynamische Ebene überwunden hätten und perinatale Elemente in den
Sitzungen auftauchten, seien die Patienten zuerst mit der Situation der
Ausweglosigkeit aus Phase 2 konfrontiert. Mit zunehmender Zahl der Sitzungen
träten die Erscheinungen, die mit dem Kampf um Tod und Wiedergeburt verknüpft
seien (Phase 3), in den Vordergrund.
Schließlich, wenn Ich-Tod und Wiedergeburt in reiner Gestalt
wiedererlebt worden seien, sei der Weg frei für die 1. und 4. Phase der perinatalen
Matrix, für ozeanische Gefühle und Erlösungsvisionen. Im Anschluss daran
verschwänden die Erscheinungen, die mit der biologischen Geburt in Verbindung
stünden, und träten nicht wieder auf. Alle weiteren Sitzungen bestünden fast
ausschließlich aus transpersonalen Erfahrungen mit ausgeprägt religiösem und
mystischem Einschlag.
Die Aktivierung einer bestimmten perinatalen Matrix
beeinflusse die Art, wie die Person ihre Umgebung erlebe: Ihre Wahrnehmung
werde durch den Inhalt der aktivierten Matrix bestimmt. Der Einfluss dieser
Matrix halte noch Tage, Wochen oder Monate an. Nach Phase 2 könnten sich tiefe
Depressionen bis hin zur Suizidgefahr einstellen, Phase 3 führe häufig zu
aggressiven Spannungen und Reizbarkeit sowie zu übermäßiger Steigerung des
libidinösen Triebs.
Nach Phase 4 komme es zu tiefer Entspannung und intensiver
Freude, verbunden mit einer Fülle von Sinneswahrnehmungen. Die Aspekte der
Phase 1 seien ähnlich wie Phase 4, jedoch viel tiefer und würden in einem
religiösen oder mystischen Bezugsrahmen erlebt. Wer unter diesem Einfluss
stünde, nähme neue Dimensionen im Universum wahr oder neige dazu, alltägliche
Dinge als etwas Heiliges zu betrachten. Das Erlebnis der kosmischen Einheit
enthalte ein starkes therapeutisches Wirkungspotential und könne eine
dauerhafte Heilung zur Folge haben.
Nach der äußersten Erfahrung von Ich-Tod und Wiedergeburt
beherrschten transpersonale Elemente alle weiteren LSD-Sitzungen der Patienten.
Das bedeute, dass sich ihr Bewusstsein über die gewöhnlichen Grenzen des Ich,
des Raumes und der Zeit ausgeweitet habe.
Normalerweise erlebe sich ein Mensch innerhalb der Grenzen
seines Körpers, sei sich des Raumes und der Zeit bewusst. Die Wahrnehmung der
Umwelt sei durch die Reichweite seiner Wahrnehmungsorgane eingeschränkt. Sowohl
äußere als auch innere Wahrnehmung seien Raum-Zeit-Grenzen unterworfen. Man
könne nur jene Dinge erfahren, die im gegenwärtigen Augenblick am gegenwärtigen
Ort geschehen. Erinnern könne man sich an Dinge, die zu einem früheren
Zeitpunkt geschehen sind, und antizipieren könne man Dinge in der Zukunft.
Bei transpersonalen Erfahrungen würden diese Begrenzungen
transzendiert. Die Versuchsperson erlebe eine Lockerung ihrer Ich-Grenzen und
könne Elemente der Außenwelt in ihre Identität einbeziehen. Oder sie erlebe
ihre eigene Identität in einer anderen Gestalt, zu einer anderen Zeit oder an
einem anderen Ort. Oder es trete eine völlige Identifikation mit einem anderen
Wesen ein. Manchmal umfasse das Bewusstsein auch Elemente, die nicht der
dreidimensionalen Welt angehören können.
Grof unterscheidet zwischen Inhalten transpersonaler
Erfahrungen, die aus der "objektiven Realität" stammen und sog.
"außersinnlichen" Wahrnehmungen. Im menschlichen Unbewussten
existierten Elemente von Erfahrungen der eigenen embryonalen Entwicklung sowie
der genetischen Entwicklung menschlicher und tierischer Vorfahren. Unter
bestimmten Umständen würden sie bewusst und in realistischer Weise erlebt.
Diese Erfahrungen gehörten aber noch zur empirischen Akzeptanz.
Daneben gebe es transpersonale Erfahrungen im Sinne einer
Veränderung der Dimensionen von Zeit und Raum oder andere außersinnliche
Wahrnehmungen, deren Inhalt jedoch innerhalb des empirischen Bezugsrahmens
verstehbar sei. Dazu gehörten Phänomene wie Präkognition (Hellsehen),
Zeitreisen, außerkörperliche Erfahrungen und Telepathie. In diesen Fällen
würden Informationen auf eine Art und Weise erlangt, die nach allgemein
akzeptierten wissenschaftlichen Kategorien nicht mehr im sinnlichen
Wahrnehmungsbereich liege.
Die zweite Kategorie transpersonaler Erfahrungen umfasse
jene Phänomene, die nicht Teil der "objektiven Realität" seien. Dies
gelte für die Kommunikation mit den Geistern Verstorbener oder mit
übermenschlichen geistigen Wesenheiten, die Begegnung mit Gottheiten, archetypische
Erfahrungen usw.
Grof unterscheidet transpersonale Erfahrungen also nach
Zeitliche Bewusstseinserweiterung
Embryonale Erfahrungen
Ahnenerfahrungen
Kollektive Erfahrungen
Evolutionäre Erfahrungen
Erfahrungen einer früheren Inkarnation
Hellsehen, Zeitreisen
Räumliche Bewusstseinserweiterung
Ich-Transzendenz, Erfahrung der Einheit
Identifikation mit anderen Personen
Gruppenidentifikation
Identifikation mit Tieren
Identifikation mit Pflanzen
Einssein mit der gesamten Schöpfung
Bewusstsein anorganischer Materie
Planetarisches Bewusstsein
Extraplanetarisches Bewusstsein
Außerkörperliche Erfahrungen, Raumreisen und Telepathie
Räumliche Verengung des Bewusstseins
Organ- und Zellenbewusstsein
Spiritistische Erfahrungen
Erfahrung anderer Universen
Archetypische Erfahrungen
Begegnung mit "Gottheiten"
Intuitives Verstehen universaler Symbole
Aktivierung der Chakras und Erweckung der Kundalini
Bewusstsein des universalen Geistes
Die kosmische Leere
Sie werden im Folgenden genauer beschrieben.
Die ersten transpersonalen Phänomene, die Grof bei seinen
LSD-Experimenten beobachtet habe, seien embryonale Erfahrungen gewesen. Sie allein stellten schon eine
Herausforderung für die allgemein akzeptierten wissenschaftlichen Paradigmen
dar. Es handele sich um lebhafte, konkrete Erinnerungen an Episoden während der
intrauterinen Entwicklung des Individuums. Viele dieser Erinnerungen stünden in
Verbindung mit einer psychischen Traumatisierung.
Testpersonen hätten von einer Teilhabe an den Ängsten der
Mutter berichtet, an emotionellen Schocks und Wutausbrüchen, aber auch an
Gefühlen der Liebe und des Glücks. Es sei sogar über einen telepathischen
Gedankenaustausch zwischen Mutter und Kind im Mutterleib berichtet worden.
Häufig würden Episoden ozeanischer Gefühle und seligen Einsseins mit der Mutter
wiedererlebt. Durch die nährenden Stoffe komme es offenbar zur Übermittlung
emotioneller Regungen, tröstender Gedanken und transzendentaler Einsichten.
Da solche Episoden nicht objektiv verifizierbar seien,
möchte Grof sie lieber als Erfahrungen bezeichnen, nicht als Erinnerungen, um
die Wissenschaftlichkeit seines Bezugsrahmens zu wahren. Doch habe er durch
Befragungen der Mütter oft Bestätigungen solcher Angaben erhalten. Ungewöhnlich
sei, dass Versuchspersonen Spezialkenntnisse aus der Embryologie vorbrachten,
die über ihre Vorbildung weit hinausgingen.
Sie hätten bestimmte Charakteristika der Herztöne und
sonstige akustische Phänomene in der Bauchhöhle beschrieben sowie Fakten über
den plazentären Kreislauf. Manchmal habe sich die Erfahrung auf sehr frühe
Stadien der Entwicklung bezogen wie das Wachstum von Gewebe, die
Differenzierung verschiedener Organe und biochemische Prozesse während des
Zellenwachstums. Diese Einsichten seien immer verbunden gewesen mit genetischen
Visionen, Elementen kosmobiologischer Kraftfelder, archetypischer
Konstellationen und universaler Gesetze.
Ahnen-Erfahrungen bezögen sich normalerweise auf Eltern oder Großeltern,
könnten aber auch Jahrhunderte zurückreichen. Solche Phänomene stünden stets
mit der rassischen Herkunft und dem kulturellen Hintergrund des Betreffenden in
Zusammenhang. So sähen Personen jüdischer Herkunft oft Episoden aus dem Leben
des Stammes Israel während der biblischen Zeit, während eine skandinavische
Herkunft eher auf Eroberungszüge der Wikinger geprägt sei, mit genauen
Einzelheiten bezüglich der Gewänder, der Waffen und des Schmucks.
Afroamerikaner visualisierten bevorzugt Szenenfolgen aus dem Leben ihrer afrikanischen
Vorfahren, oft mit Tänzen und Stammesriten verbunden.
Manchmal handele es sich um das reale Wiedererleben kurzer
Episoden, in anderen Fällen liege eine Einstimmung auf eine bestimmte Person
vor, die bis zur völligen Identifikation gehen könne. Häufig träten intuitive
Einsichten in kulturelle Einstellungen, Glaubenssysteme, Traditionen und
Vorurteile der Ahnen auf. Individuelle Probleme der Patienten könnten
gelegentlich als verinnerlichte Generationskonflikte der toten Vorfahren
identifiziert werden.
Es komme sogar vor, dass bestimmte Informationen vermittelt
würden, die der Testperson unbekannt sein mussten. Welcher Mechanismus hier
vorliege, sei gegenwärtig noch völlig dunkel. Manche Patienten seien überzeugt,
dass emotional hoch aufgeladene Erinnerungen in den genetischen Code eingeprägt
und durch Jahrhunderte künftigen Generationen weitergegeben werden könnten.
Kollektive Erfahrungen stünden in enger Beziehung
zu C.G. Jungs Konzeption des kollektiven Unbewussten. Grof sieht sie als
experimentelle Bestätigung für die analytische Psychologie Jungs an. Personen,
die auf diese Bereiche des Unbewussten eingestimmt seien, könnten
Ereignisabfolgen aus verschiedenen Ländern oder verschiedenen Jahrhunderten
erleben. Manchmal in der Rolle des Beobachters, häufig jedoch identifiziere
sich der Erlebende mit einem bestimmten Repräsentanten.
Damit verbunden seien detaillierte Einblicke in die
Sozialstruktur, das religiöse Weltbild, Kunst und technologische Entwicklung
dieser Kulturen. Im Gegensatz zu den Ahnen-Erfahrungen seien die kollektiven
Visionen völlig unabhängig von der ethnischen Herkunft der Versuchsperson.
Patienten von bescheidener Bildung hätten ägyptische Bestattungszeremonien in
allen Einzelheiten beschrieben, andere hätten ein starkes Bedürfnis zu tanzen
empfunden und komplizierte Trancetänze aufgeführt.
Nicht nur persönliche Identifikationen kämen vor, sie
könnten auch ganzer Völker umfassen oder sich auf die gesamte Menschheit
beziehen. Das entspräche dem Jung'schen Archetypus des "kosmischen
Menschen". Einige dieser Phänomene hätten die Qualität des Hellsehens oder
des Reisens in Raum und Zeit. Der Einzelne erlebe Einblicke in die
Vielgestaltigkeit kultureller Gruppen innerhalb der gesamten Menschheit als
Manifestationen des kosmischen Dramas bzw. des göttlichen Spiels.
Evolutionäre Erfahrungen bezögen sich auf die
Identifikation mit Tieren auf verschiedenen Stufen der phylogenetischen
Entwicklung, einschließlich körperlicher Empfindungen, eigentümlicher Emotionen
und Triebregungen sowie ungewöhnlicher Wahrnehmungen der Umwelt. Sie
unterschieden sich deutlich von menschlichen Erfahrungen.
Berichtet worden sei von Lachsen auf ihrer Reise gegen die
Strömung, Spinnen beim Weben ihrer Netze, Haien beim Atmen durch die Kiemen,
sogar die Metamorphose vom Ei über die Raupe und Puppe zum Schmetterling sei
nachempfunden worden. Solche Identifikationen seien mit einer Motorik und
neurologischen Mustern verbunden, die sonst beim Menschen nicht aufträten. Sie
seien eine Folge der Aktivierung des extrapyramidalen Systems und anderer
archaischer Nervenbahnen.
Die Erfahrung einer früheren Inkarnation bestehe aus
Ereignisabfolgen an einem anderen Ort und in einer anderen Zeit. Sie
unterscheide sich jedoch von der Ahnen- und kollektiven Erfahrung durch ihre
ungewöhnliche Dramatik und starke emotionale Aufladung. Die Erlebenden behielten
ihre Identität, wüssten jedoch, dass sie mit der Erinnerung an ein reales
Geschehen konfrontiert seien. Sie seien sich absolut gewiss, dass es sich um
die Manifestation einer ihrer früheren Inkarnationen handele.
Dieser Erfahrungstyp gehe einher mit Einsichten in
universale Gesetzmäßigkeiten. Die Szenen seien karmisch geprägt, also von
schicksalhafter Ausweglosigkeit, wenn der Betreffende von einem Tiger getötet,
von einer Schlange gebissen oder von einem wilden Elefanten zu Tode getrampelt
werde. Gelegentlich werde Verbitterung, Hass und Neid wieder erlebt, auch die
Qual beim langsamen Tod im Sumpf, beim Tod durch einen Erdrutsch oder
Vulkanausbruch sei wiedererlebt worden.
Bei den karmischen Erfahrungen träten zwei deutlich
unterschiedene Kategorien auf: Einmal spiegelten sie positive, affektive
Bindungen an andere Menschen wider, vor allem Liebesbeziehungen, enge Freundschaft
oder geistige Partnerschaft. Zweitens kämen Szenen mit stark negativen
Begleiterscheinungen vor, gekennzeichnet durch Bitterkeit, Hass, mörderische
Aggression, schreckliche Angst, gierige Leidenschaft, wahnsinnige Eifersucht
oder krankhafte Habgier.
Viele Personen hätten ausgesagt, die Gefühle seien, wenn
ihre Intensität einen bestimmten Punkt überschritten habe, einander ganz
ähnlich. Demzufolge scheine es ein universales Gefühlsmuster zu geben, das den
gemeinsamen Nenner all dieser Gefühle darstelle. Es sei ein Zustand hoher
emotioneller Erregung, ein Schmelztiegel von Erfahrungsqualitäten nicht
menschlicher Natur und ein Punkt, an dem die bestialischen Aspekte des Menschen
metaphysische Dimensionen erreichten.
Nach buddhistischen Lehren sei die Gier nach Fleisch und
Blut die Kraft, die für die Fortdauer des Zyklus von Tod und Wiedergeburt sowie
für alle Leiden verantwortlich sei. Es handele sich um eine unspezifische
affektive Aktivierung, die uns als unfertige Gestalt eingeprägt sei, und die in
späteren Leben nach Wiederholung und Lösung verlange. Wenn eine solche
karmische Aktivierung in LSD-Sitzungen auftrete, könne sie nicht psychologisch
durch das bloße Wiedererleben verarbeitet werden. Der Erlebende müsse sie
emotionell, ethisch und geistig transzendieren, sich darüber erheben,
schließlich vergeben oder Vergebung erhalten.
Oft sei geäußert worden, es mache keinen Unterschied, ob man
in einer karmischen Situation der Täter oder das Opfer war. Beides scheine in
das dyadische Muster eingeprägt zu sein. In einer tiefen Schicht sei der
emotionelle Zustand des sadistischen Folterers dem des Gefolterten ähnlich, und
der rasende Trieb des Mörders verschmelze mit der Qual seines sterbenden
Opfers. Die Unfähigkeit des Opfers, zu vergeben und damit das eigene Leiden zu
transzendieren, scheine ebenso zu karmischer Prägung zu führen wie die aktive
Gewalttat des Unterdrückers.
Ein solches karmisches Erleben sei manchmal mit komplexen
Instruktionen verbunden, die nichtverbal (auf der Ebene der Intuition) den
Erlebenden die Verantwortlichkeit für ihre früheren Taten erkennen ließen und
ihnen das Gesetz des Karma als einen bedeutsamen Teil der kosmischen Ordnung
vorstellten, die für alle Wesen verpflichtend sei.
Diese Informationen könnten sich auch auf detaillierte
Einzelheiten über die Voraussetzung für eine karmische Befreiung vom Prozess
der Wiedergeburt beziehen. Die Gesetze der Reinkarnation stünden zwar in
Zusammenhang mit der biologischen Abstammung und der Weitergabe der Erbmasse,
vollzögen sich aber praktisch unabhängig davon. Die Zuweisung einer geistigen
Wesenheit an einen bestimmten Körper erfolge bei der Empfängnis, sie ginge
jedoch an den Vererbungsgesetzen vorbei.
Die Auflösung eines karmischen Musters sei mit dem
Triumphgefühl nach einer gewaltigen Leistung verbunden. Die Betreffenden hätten
das Gefühl, Jahrhunderte auf dieses Ereignis gewartet und darauf hingearbeitet
zu haben. Die Sprengung karmischer Fesseln könne Gefühle großer Seligkeit
hervorrufen. Sie sei mit dem buddhistischen Streben nach Erleuchtung verglichen
worden und habe die Vision eines gigantischen karmischen Sturmes ausgelöst, der
durch die Jahrhunderte fegt.
Grof zweifelt nicht daran, dass das gleiche Phänomen in
unzähligen religiösen, philosophischen und mystischen Zusammenhängen
beschrieben worden sei, z.B. in den Kosmologien afrikanischer und indianischer
Kulturen, im Orpheuskult und der Philosophie Platos, im frühchristlichen Denken
und im Hinduismus und Buddhismus.
Beim Hellsehen und Zeitreisen erfolge eine
Transzendierung der gewöhnlichen Zeitgrenzen mit dem Effekt einer Bewusstseinserweiterung.
Gelegentlich hätten Testpersonen Ereignisse in der Zukunft vorhergesagt oder
seien überzeugt gewesen, in jede beliebige Zeitperiode reisen zu können. Das
Gefühl der freien Entscheidung unterscheide diese Erfahrung von dem spontanen,
elementaren und unbeherrschbaren Wiedererleben einzelner Episoden aus dem
kollektiven Unbewussten.
Bei der Ich-Transzendenz und Erfahrungen der Einheit
würden die räumlichen Grenzen des Bewusstseins überschritten. Der Patient
erlebe die Vereinigung mit einer anderen Person, bewahre jedoch das Bewusstsein
seiner eigenen Identität. Beispiele für die duale Einheit seien die Symbiose
von Mutter und Kind, die Verschmelzung mit einem Sexualpartner oder die
geistige Verbundenheit mit einem Lehrer. Duale Einheiten verursachten intensive
Gefühle der Liebe und Heiligkeit.
Dagegen verliere der Patient bei der Identifikation mit
anderen Personen völlig das
Bewusstsein seiner eigenen Identität. Er übernehme emotionelle Reaktionen und
Einstellungen, Gesichtsausdruck und typische Gesten, Körperhaltung und Stimmklang
der anderen Person. Das Wiedererleben traumatischer Kindheitserfahrungen sei
charakterisiert durch abwechselnde Identifikation mit allen
Handlungsteilnehmern, man könne sich aber auch mit prominenten oder historischen
Personen identifizieren
Die Gruppenidentifikation sei durch weitere räumliche
Ausdehnungen charakterisiert und erstrecke sich auf das Gewahrsein einer ganzen
Menschengruppe. Man identifiziere sich mit der Rolle der Juden, mit den Opfern
der Inquisition oder den Gefangenen in Konzentrationslagern, könne den
religiösen Fanatismus der Moslems nachempfinden oder das Leidern von Soldaten
auf den Schlachtfeldern. In extremen Formen könne das Bewusstsein auf die
gesamte Menschheit ausgedehnt werden.
Die Identifikation mit Tieren sei sehr realistisch
und enthalte oft zutreffende zoologische Informationen. Sie sei jedoch nicht
mit Forschungsinteresse oder dem Gefühl einer Zeitreise verbunden. Die echte
Identifikation müsse von der symbolischen Verwandlung in ein Tier unterschieden
werden. Letztere sei als Traumbild zu deuten, das eine verschlüsselte Botschaft
über Persönlichkeitsmerkmale enthalte. Die symbolische Verwandlung in ein
Raubtier könne z.B. als Ausdruck aggressiver Gefühle entschlüsselt werden, die
Verwandlung in einen Affen auf perverse Tendenzen hindeuten, ein starker
Sexualtrieb werde durch einen Hengst symbolisiert, männliche Eitelkeit trete
als krähender Hahn auf.
Fälle, in denen eine Identifikation mit Pflanzen
erlebt werde, seien selten. Hier erlebten sich die Testpersonen als keimendes
Samenkorn, als Blatt bei der Fotosynthese oder als Wurzel, die nach Nahrung
greift. Andere Personen identifizierten sich mit einer fleischfressenden
Pflanze, würden zu Plankton im Meer oder erlebten Zellteilungen.
Pflanzenbewusstsein könne von philosophischen und spirituellen Einsichten
begleitet sein.
So sei die Selbstlosigkeit des Pflanzendaseins idealisiert
worden, die Unfähigkeit zum Töten, der direkte Kontakt zu den Elementen sowie
die Fähigkeit zur Umwandlung kosmischer Energie. Pflanzen seien unbefleckt von
Zwecken, Zielen oder Sorgen um die Zukunft, Sie repräsentierten das reine Sein
im Hier und Jetzt. Große Bäume würden als Repräsentanten eines
selbstzentrierten Bewusstseins erlebt, psychedelische Pflanzen mit religiöser
Bedeutung versehen.
In seltenen Fällen dehne sich das Bewusstsein einer
LSD-Testperson so weit aus, dass sie ein Einssein mit der gesamten Schöpfung
empfinde. Sie entwickle dann ein intuitives Verständnis biologischer
Gesetzmäßigkeiten und könne z.B. den Selektionsmechanismus begreifen, der das
Überleben der Tauglichsten gewährleiste und zur Entstehung neuer Arten führe.
Das Bewusstsein könne Selbsterhaltungs- sowie Selbstzerstörungskräfte des
Lebens umfassen und die Fähigkeit abzuschätzen, wie sich das Leben als
kosmisches Phänomen zu behaupten vermag.
Das Bewusstsein anorganischer Materie könne sich als
ozeanisches Bewusstsein artikulieren, als das Gefühl des Im-Flusse-Seins oder
des Feuers mit seiner Reinigungskraft. Man empfinde die bei Naturkatastrophen
entfesselten Kräfte, die schöpferischen und destruktiven Vulkanausbrüche, die
dynamische Spannung bei Erdbeben oder die Kraft von Stürmen. Es könne auch zum
Bewusstsein allgemein anorganischer Stoffe wie Diamant, Granit, Gold und Stahl
kommen.
Das Bewusstsein könne in den Mikrokosmos vordringen und die
dynamische Struktur der Atome sowie den Tanz der Moleküle nachvollziehen. Dabei
sei das Bewusstsein als ein kosmisches Grundphänomen empfunden worden, das mit
der Organisation der Energie zusammenhänge und überall im Weltall vorhanden
sei. Das menschliche Bewusstsein sei nur eine von vielen Ableitungen dieses
Grundphänomens. Erfahrungen dieser Art könnten ein neues Verständnis für die
Philosophien des Pantheismus und Animismus hervorrufen (alles ist belebt), und
eine neue Sicht auf die Parallelen zwischen Geist und Materie eröffnen.
Planetarisches Bewusstsein sei ein seltenes Phänomen,
das erst in fortgeschrittenen LSD-Sitzungen auftrete. Aus einem
interplanetarischen Blickwinkel erscheine die Erde als ein komplizierter
kosmischer Organismus, dessen Manifestationen als Versuch gedeutet werden, eine
höhere Entwicklungsstufe bzw. Selbstverwirklichung zu erreichen.
Das extraplanetarische Bewusstsein dagegen umfasse
Zustände auf der Mondoberfläche oder die Beschaffenheit verschiedener Planeten,
nukleare Prozesse im Inneren der Sonne, explodierende Supernovae oder schwarze
Löcher. Es sei begleitet vom Gefühl der Unendlichkeit und Ewigkeit, der Ruhe,
Gelassenheit und Leere. In diesem Bewusstseinszustand könnten sogar die
schwierigen Konstrukte der modernen Physik real erlebt werden wie Einsteins
Begriff des gekrümmten Raums.
Außerkörperliche Erfahrungen, Raumreisen und Telepathie basierten
auf einer Bewusstseinserweiterung über die gewöhnlichen räumlichen Grenzen
hinaus. Die Empfindung, den eigenen Körper zu verlassen, über ihm zu schweben
und ihn von oben herab zu betrachten, käme häufig vor. Manchmal habe man sich
an einen anderen Ort begeben und detaillierte, verifizierbare Schilderungen der
Umgebung geliefert. In ganz seltenen Fällen habe der Betreffende das Gefühl,
diesen Vorgang aktiv zu kontrollieren und eine Raumreise zu unternehmen.
Gelegentlich seien in psychedelischen Sitzungen auch
telepathische Erfahrungen aufgetreten. Die Annahme, die Gedanken anwesender
Personen lesen zu können, hält Grof jedoch eher für eine Selbsttäuschung als
für eine objektiv verifizierbare Tatsache. Es habe jedoch Situationen mit
deutlichen Anzeichen für eine echte außersinnliche Wahrnehmung gegeben, und in Ausnahmefällen
sei telepatischer Kontakt mit einer entfernten Person durch objektive Beweise
bestätigt worden.
Das Organ- und Zellenbewusstsein verbinde eine
räumliche Einengung des Bewusstseins mit seiner funktionellen Ausdehnung. Die
Patienten könnten die Kontraktionen ihres Herzens erleben, sich in die Leberfunktion
oder in Verdauungsprozesse einfühlen, oder sie erlebten sich als Neutronen im
eigenen Gehirn, oft auch als Ei- oder Samenzelle. Die Erfahrung der eigenen
Empfängnis gehöre ebenso zu dieser Erfahrungskategorie wie das Gefühl, den
eigenen DNS-Code lesen zu können.
Patienten gewahrten die Struktur ihrer Chromosomen und
spürten, dass in deren Biochemie zugleich Elemente von Ahnenerinnerungen,
urtümlichen phylogenetischen Formen sowie Muster historischer Ereignisse und
archetypischer Bilder enthalten seien. Das Bewusstsein schwanke zwischen dem
des Samens, der seinem Ziel entgegenrase, und dem des Eis mit der unbestimmten
Erwartung eines überwältigenden Ereignisses.
Im Augenblick der Empfängnis vereinigten sich die beiden
Bewusstseinseinheiten in einer ekstatischen Verschmelzung. Anschließend seien
die Testpersonen Zeuge der Differenzierung von Geweben und der Bildung neuer
Organe. Übereinstimmend berichteten sie über ungeheure Entladungen von Energie
und Licht, die die embryonale Entwicklung begleiteten. Es handele sich offenbar
um die biochemische Energie, die beim rapiden Wachstum von Zellen und Geweben
wirksam werde.
Wenn der Rahmen der "objektiven Realität"
überschritten werde, träten sehr selten spiritistische Erfahrungen auf.
Diese Zustände seien der Trance eines Mediums ähnlich. Gesichtsausdruck, Gestik
und Stimme der Betreffenden seien völlig verändert. Sie könnten in fremden
Sprachen sprechen, automatisch Texte schreiben oder seltsame Bilder zeichnen.
Andere berichteten über Begegnungen mit Geistwesen oder Verstorbenen, sie
wiesen sogar Merkmale von Besessenheit auf.
Es sei von übermenschlichen geistigen Wesenheiten berichtet
worden, die auf höheren Bewusstseins- und Energieebenen existierten. Doch sei
diese Erfahrung nur selten von visueller oder verbaler Kommunikation begleitet.
Manchmal träten diese Wesen als Licht- oder Energiequelle auf, gewöhnlich spüre
der Betreffende lediglich ihre Gegenwart und empfange Botschaften durch
außersinnliche Kanäle. Seine Ich-Identität bleibe normalerweise erhalten, doch
kämen auch Verschmelzungen vor.
Manche Personen schafften sich Schutzschilde aus positiver
Energie, um sich vor destruktiven Einflüssen böser Wesenheiten zu schützen. In
diesem Zusammenhang träten auch spirituelle Helfer oder Führer auf, die den
Erlebenden begleiteten. Sie blieben oft unerkannt, in anderen Fällen würden sie
als Aspekte des eigenen höheren Selbst identifiziert oder als Erleuchtete wie
Buddha oder Jesus.
Wer Erfahrungen mit anderen Universen mache, könne
Wesenheiten mit absonderlicher Gestalt begegnen. Diese würden meist als
vernunftbegabte Geschöpfe wahrgenommen, aber ihre Gedanken und Gefühle seien
nicht menschlich. Oft hätten Testpersonen von Kontakten mit fliegenden Untertassen
berichtet, entweder als Besucher von fernen Galaxien oder als astrale
Expeditionen von parallelen Universen.
Archetypische Erfahrungen beträfen Phänomene, die
C.G. Jung "Urbilder des kollektiven Unbewussten" genannt habe. Sie
kämen immer wieder vor, auch bei Personen, die noch nie etwas davon gehört
hätten. Es handele sich um dynamische Muster überindividueller und universeller
Art innerhalb der menschlichen Psyche. Archetypen seien generalisierte
personifizierte Konzepte menschlicher Typen und Rollen, die auch persönliche
Aspekte der Person repräsentieren könnten.
Man visualisiere z.B. die "große Mutter", den
"alten Weisen", die "schöne Anima" oder den "tapferen
Helden" (siehe Literaturservice "Archetypen"). Statt statischer
Bilder könnten auch komplexe Mythen erlebt werden. Häufige Motive seien
"die Befreiung einer Jungfrau", "die böse Stiefmutter" oder
"der "Hass auf den bevorzugten Bruder". Die Inhalte hätten große
Ähnlichkeit mit antiken Mythen oder mit Märchen aus aller Welt, sie stimmten mit
den Beobachtungen C.G. Jungs vollkommen überein.
Begegnungen mit "Gottheiten" seien
ebenfalls archetypische Erfahrungen, doch unterscheidet Grof zwischen
klassischen Archetypen in Gestalt universeller Prototypen und Begegnungen mit
konkreten Gottheiten bestimmter Kulturen. Die meisten auftretenden Gottheiten
fielen in zwei Kategorien: "Mächte des Lichts und des Guten" und
"Gottheiten des Dunkels und des Bösen". Sie erschienen als statische
Vision, könnten aber auch als komplettes kosmologisches Drama auftreten, als
"Krieg der Götter", "Sturz Luzifers", "das Jüngste
Gericht" oder "Armageddon".
Das intuitive Verstehen universaler Symbole betreffe
am häufigsten das Kreuz Jesu, den Stern Davids, das taoistische Yin und Yang,
den hinduistischen heiligen Phallus (Schiwa lingam), das buddhistische Rad von
Tod und Wiedergeburt, die aztekische Schlange, die ihren Schwanz verschlingt.
Manche Personen sähen geometrische Kompositionen, die sich in Mandalas
verwandelten oder hätten Einsichten in komplette esoterische Systeme.
Patienten hätten mit der transzendenten Bedeutung von Zahlen
gespielt und Parallelen zur pythagoreischen Algebra gefunden. Einige, die sich
vorher über Astrologie lustig gemacht oder eine herablassende Einstellung
gegenüber der Alchemie gezeigt hätten, hätten danach deren metaphysische
Relevanz gewürdigt.
Viele LSD-Erfahrungen zeigten auffallende Parallelen zu
Phänomenen des Yoga, beispielsweise die Aktivierung der Chakras und
Erweckung der Kundalini. Überhaupt scheine das Chakra-System sehr nützliche
Landkarten des Bewusstseins zu liefern. Chakras (ein Sanskritwort für
"Räder") seien hypothetische Zentren den Körpers, in denen Urenergie
ausgestrahlt werde. Sie entsprächen bestimmten Ebenen des Rückenmarks, der
Energiestrom fließe durch verschiedene Leitungen im Körper.
Eine äußerst seltene Erfahrung, die nur in fortgeschrittenen
LSD-Stadien vorkomme, sei die Erweckung der Kundalini-Energie und das Aufwärtsfließen
spiritueller Energie mit der darauffolgenden Aktivierung aller Chakras. Dieser
Prozess könne zu einer profunden transzendentalen Erfahrung ekstatischer und
integrierender Natur führen. Der Kundalini-Yoga weise generell die größte
Ähnlichkeit mit der LSD-Psychotherapie auf. Beide Methoden führten zu einer
augenblicklichen, ungeheuren Entladung von Energie, erzeugten tiefe und
dramatische Erlebnisse und könnten in kurzer Zeit eindrucksvolle Ergebnisse
erzielen. Beide könnten aber auch gefährlich sein, wenn sie nicht sorgfältig
angeleitet würden.
Das Bewusstsein des universalen Geistes sei eine der
tiefsten Erfahrungen, die in LSD-Sitzungen zu beobachten seien. Sie schließe
die Gesamtheit des Seins ein. Der Betreffende fühle, dass er zu der
Wirklichkeit vorgedrungen sei, die allen Wirklichkeiten zugrunde liege, und dem
höchsten und Prinzip gegenüberstehe, das alles Sein darstelle. Die Illusion von
Materie, Raum und Zeit und viele andere subjektive Realitäten würden
vollständig transzendiert und endgültig auf diese eine Bewusstseinsform
zurückgeführt, die ihr gemeinsamer Ursprung sei.
Diese Erfahrung sei grenzenlos und unbeschreiblich. Die
Erscheinungswelt des normalen Bewusstseins erscheine in diesem Zusammenhang nur
als sehr begrenzter, subjektiver Aspekt des allumfassenden Bewusstseins, des
universalen Geistes. Dieser liege jenseits allen rationalen Begreifens, doch
erschienen sämtliche Fragen als beantwortet. In indischen Schriften werde
dieser göttliche Zustand mit den Begriffen Sein, Denken und Glückseligkeit
umschrieben.
Dichter, Seher und Propheten hätten sich der Parabel und des
Gleichnisses bedient, um solche transzendentalen Visionen mitzuteilen, die sich
jeden verbalen Ausdrucksmittels entzögen. Eine wichtige Begleiterscheinung sei
die intuitive Einsicht in den Prozess der Erschaffung der Erscheinungswelt, wie
wir sie kennen, und in die Vorstellung von Tod und Wiedergeburt. Die Erfahrung
könne das Gefühl hinterlassen, man habe ein umfassendes nichtrationales
Verständnis fundamentaler ontologischer und kosmologischer Probleme erlangt.
Das letzte transpersonale Phänomen sei die Erfahrung der
kosmischen Leere, des Nichtseins und der Stille, welche der letzte Ursprung
aller Existenz sei. Diese Leere sei der Erscheinungswelt sowohl übergeordnet
als auch zugrundeliegend. Sie sei jenseits von Zeit und Raum, jenseits jeder
Gestalt oder erfahrungsmäßigen Differenzierung, jenseits aller Polaritäten wie
Gut und Böse, Licht und Dunkelheit, Qual und Ekstase.
Die Leere transzendiere auch unseren Kausalitätsbegriff. Es
sei berichtet worden, dass etwas aus dem Nichts entstanden und wieder spurlos
darin verschwunden sei. Das Auftauchen aus der Leere und die Rückkehr dahin sei
jedoch nicht absurd, ebenso wenig wie der Fakt, dass etwas ohne Ursache
geschehe. Paradoxerweise würden die Leere und der universale Geist als
identisch wahrgenommen, sie seien zwei Aspekte der gleichen Erscheinung. Die
Leere erscheine als formenträchtig, und die subtilen Formen des universalen
Geistes als inhaltslos.
Nach einer LSD-Sitzung bleibe die Person unter dem Einfluss
der Struktur, die die Schlussphase beherrscht habe. Wer schwere Krisen nicht
gelöst habe, könne panische Angst, schizoide Merkmale oder paranoide Gefühle
zurückbehalten. Elemente der symbiotischen Vereinigung mit der Mutter könnten
Ich-Grenzen verwischen, eigene Gefühle könnten auf andere projiziert werden. Meistens
sei die Zeit nach der Sitzung jedoch durch Entspannung, Freude und Gelassenheit
geprägt.
Erfahrungen einer früheren Inkarnation könnten starke
Wirkungen hinterlassen. Der Inhalt des karmischen Musters beeinflusse die
Selbstwahrnehmung des Patienten bis hin zur völligen Veränderung seines
Verhaltens. Einige empfänden die ungeheure Bedeutung des Musters als qualvoll
und hätten das Gefühl, von der Last erdrückt zu werden.
Es käme häufig zu Koinzidenzen, d.h. auch entfernte
Personen, die nichts von der Behandlung gewusst hätten, seien dadurch
beeinflusst worden. Grof erwähnt an dieser Stelle Jungs Untersuchungen über
Synchronizitäten und schließt daraus, dass die Ereignisse in den Sitzungen
Teile eines umfassenderen Musters seien, dessen Reichweite über das Energiefeld
der betreffenden Testperson hinaus gehe.
Die Erfahrung dualer Einheit mit einer anderen Person könne
in Gestalt tiefer Sympathie und Liebe weiterdauern. Auch bei der Identifikation
mit einem Archetypus könnten Selbstwahrnehmung und Verhalten stark beeinflusst
werden. Handele es sich um eine dämonische Gestalt, könne der Zustand Merkmale
von Besessenheit aufweisen. Viele Personen bezeichneten ihre Geburt als die
tiefste Quelle qualvoller, aber auch ekstatischer Erfahrungen. Es sei noch nicht
geklärt, ob es sich dabei um Produkte des Unbewussten oder um echte
Erinnerungen handele.
Transpersonale Erfahrungen übten einen starken Einfluss auf
Wertbegriffe, Einstellungen und Interessen der Person aus. Mögliche Folgen
seien sensitive Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Menschen und Kulturen oder
die Erweckung großer Naturliebe. Tiefe transpersonale Erfahrungen wie die
Aktivierung der Kundalini, das Bewusstsein des universalen Geistes oder der
Leere hätten heilsamen Einfluss auf Körper und Seele und erweckten ein starkes
Bedürfnis nach Spiritualität.
Transpersonale Erfahrungen seien seit Jahrtausenden bekannt.
Schilderungen fänden sich in den heiligen Schriften aller Weltreligionen, in
den Berichten über visionäre Zustände von Heiligen und Mystikern oder in den
Riten von Urvölkern. Heute gehörten sie zur täglichen Praxis von Psychiatern,
vor allem bei der Behandlung schizophrener Patienten. Es gebe viele alte und
moderne Techniken, das Auftreten solcher Erfahrungen zu begünstigen.
Die Haltung der Fachleute sei unterschiedlich. Manche
schenkten transpersonalen Erfahrungen wenig Beachtung und hielten sie für bedeutungslos.
Für die meisten seien sie zu wunderlich und würden mit dem Etikett
"psychotisch" versehen. Deshalb seien keine größeren Durchbrüche in
ihrer Erforschung zu erwarten. Die Annahme, dass solche Phänomene mit normalen
geistigen Funktionen unvereinbar seien, sei weit verbreitet. Man gebe den
Patienten Beruhigungsmittel, um die "Symptome geistiger Dysfunktion"
zu beseitigen.
Wenige Wissenschaftler interessierten sich ernsthaft für
transpersonelle Phänomene und versuchten, theoretische Erklärungen dafür zu
finden. Doch benutzten sie die Begriffe alter Paradigmata und reduzierten kollektive
Erfahrungen oft auf biografische Eigenheiten. Intrauterine Elemente würden als
bloße Phantasien betrachtet, religiöse Gefühle aus ungelösten Konflikten mit
der elterlichen Autorität erklärt, Erfahrungen der kosmischen Einheit als
infantiler Narzissmus gedeutet, archetypische Bilder als Symbole für die Vater-
oder Mutterfigur, und Erfahrungen einer früheren Inkarnation als Reaktion auf
die Furcht vor dem Tod betrachtet.
Zwar habe sich die transpersonale Psychologie inzwischen als
selbständige Disziplin etabliert, doch nur selten würden die Erfahrungen als
eigenständige Phänomene betrachtet und ein neues Verständnis für das Unbewusste
als Teil der menschlichen Natur entwickelt. Die Grenzen der alten Denkansätze
träten In LSD-Sitzungen deutlich zutage. Die Phänomene hätten ihren Ursprung im
tiefsten Unbewussten, in Regionen, die die Freudsche Psychoanalyse nicht
erkannt habe. Sie könnten deshalb nicht psychodynamisch, sondern nur
transpersonal gedeutet werden.
Es sei wichtig, das Wesen eines bestimmten Phänomens zu
erkennen und die Bewusstseinsschicht, der es entstammt, zu identifizieren. In
allen LSD-Sitzungen hätten die Versuchspersonen früher oder später den engen
psychodynamischen Rahmen hinter sich gelassen und seien in perinatale und
transpersonale Bereiche eingetreten. Die Praxis zwinge die Wissenschaft, ihren
theoretischen Begriffsrahmen auszuweiten. Besonders die Erfahrungen des
universalen Geistes oder der Leere hätten einen so hohen Allgemeinheitsgrad,
dass sie nur als spirituelle Leitlinien verstehbar seien.
Bedeutsam sei auch die Tatsache, dass vorwiegend emotional
stark aufgeladenes Material durch die LSD-Droge aktiviert würde und aus den
unbewussten Schichten auftauche. LSD reflektiere die Schlüsselprobleme der
Patienten und lege ihre Quellen dar. Dadurch eröffne sich ein breites Feld
diagnostischer und therapeutischer Möglichkeiten. Zu ihrer Interpretation
benötige man allerdings die gleiche Symbolsprache wie bei der Traumdeutung.
Im Verlauf der LSD-Sitzungen verlagere sich der Brennpunkt
von individuellen psychodynamischen Elementen auf die Probleme von Tod und
Wiedergeburt, und schließlich auf transpersonale Erlebnisse mystischer und
religiöser Thematik. Elemente früherer Sitzungen tauchten nicht wieder auf, es
finde aber eine Veränderung der Persönlichkeit, der Wertbegriffe, Einstellungen
und Glaubenssysteme statt. Theoretisch seien die beschriebenen Forschungen
natürlich wiederholbar, aber die gegenwärtige Situation mache Experimente mit
Drogen schwierig. Deshalb sei die Zukunft der psychedelischen Forschung
ungewiss.
September 2003
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